HSH Nordbank in der Zwischenbilanz:
Schlecht geführt – katastrophal überwacht
Der Parlamentarische Untersuchungsausschusses des Schleswig-Holsteinischen
Landtags zur HSH Nordbank hat inzwischen seine 20. Sitzung absolviert.
Der Obmann der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Thorsten Fürter,
zieht Zwischenbilanz: „Der Himmel über der HSH Nordbank war blau.
Optimismus allerorten, die Sonne strahlte. Bis das schlechte Wetter kam.
An einen Schirm hatte niemand gedacht“, so kann man die Geschäftspolitik
der HSH Nordbank zusammenfassen.
1. Die Krise, welche die HSH Nordbank an den Rand der Zahlungsunfähigkeit
brachte, war vorhersehbar und hätte verhindert werden können.
Grundtenor vieler Äußerungen von Betroffenen im Ausschuss ist:
„Hinterher sind alle klüger. Keiner konnte das Unheil kommen sehen.“
Doch so einfach ist die Sache nach der Aktenlage nicht. Warnhinweise gab
es genug. Aber sie wurden nicht erkannt. In der kritischen Phase der Bank
wurde die Bank schlecht geführt und katastrophal überwacht.
a. Das Kreditersatzgeschäft der HSH Nordbank war zu umfangreich und – insbesondere zuletzt – viel zu risikoreich
Das Kreditersatzgeschäft der HSH Nordbank war ursprünglich ein risikoarmer und stabiler Ertragbringer, in dem „überschüssiges“ Eigenkapital in Anleihen und Pfandbriefen angelegt wurde. Im Zuge des Wegfalls der Gewährträgerhaftung (Juli 2005), des Einstiegs der Investorengruppe um J.C. Flowers (Oktober 2006) sowie des für das Jahr 2008 geplanten Börsenganges wurde zunehmend in höherverzinsliche, schwankungsbehaftete Wertpapiere umgeschichtet, um die immer höheren Renditeerwartungen seitens der Anteilseigner und des Aufsichtsrates befriedigen zu können. Das ehedem eher konservativ strukturierte, etwa 30 Milliarden Euro schwere Kreditersatzportfolio, wurde so bis 2007/2008 mit stark schwankenden und hochriskanten Papieren bestückt, die den Bankvorständen lukrativ erschienen.
Dem Aufsichtsrat waren der enorme Umfang und die sich zunehmend verändernde Struktur des Kreditersatzgeschäftes bekannt. Ebenso der Umstand, dass die HSH Nordbank bei einem Abschwung an den Finanzmärkten Wertpapierverluste aufgrund ihres geringen Eigenkapitals nur in einem begrenzten Maße würde selber tragen können. Warum der Aufsichtsrat gleichwohl nicht eingeschritten ist, als der Vorstand das hochvolumige Kreditersatzportfolio insbesondere ab 2005 zunehmend risikoreicher gestaltete, wird Gegenstand der weiteren Befragungen sein.
b. In der HSH Nordbank ging zunehmend das Risikobewusstsein verloren
Während die Bank im Zuge der immer höheren Renditeerwartungen vermehrt schwankungsanfällige Papiere erwarb, unterließ sie zugleich die für derartige Papiere erforderliche massive Verstärkung des Risikomanagements. Dieses war bei der Bank daher auf das starke Wachstum und das geschärfte Risikoprofil der Bank inhaltlich, personell und strukturell nicht angemessen ausgestattet. Die Schwächen im Risikomanagement und die mangelnde Risikokultur in der Bank, werden von der HSH Nordbank selbst als eine der wesentlichen Ursachen für die existenzbedrohende Lage bezeichnet, in die sie im Herbst 2008 geraten war.
Ausdruck dieses mangelhaften Risikobewusstseins ist das so genannte Schnellankaufverfahren. Dabei wurden ab Mitte 2005 strukturierte Kreditderivate auf zweifelhafte Basiswerte in Milliardenumfang im Schnellverfahren erworben. Der Erwerbsvorgang, der im regulären Verfahren mehrere Wochen oder Monate beansprucht hätte, wurde so auf wenige Tage verkürzt. Zusätzlich verzichtete die Bank ab 2006 auf die ursprünglich zur Kontrolle vorgesehene nachgelagerte Detailprüfung der im Schnellverfahren erworbenen Papiere. Die HSH Nordbank selbst bewertet das Schnellankaufverfahren heute als „vor dem Hintergrund der Komplexität der angekauften Produkte nicht sachgerecht.“ Der Risikoausschuss hatte Kenntnis vom Schnellankaufverfahren. Vertreter des Landes Schleswig-Holstein im Risikoausschuss war Finanzminister Rainer Wiegard. Warum er an dieser Stelle nicht eingeschritten ist, wird Gegenstand der weiteren Untersuchung sein.
c. Die Finanzmarktkrise war kein unvorhersehbarer Akt „höherer Gewalt“
Ein alter, unumstößlicher Grundsatz besagt: Je höher die Rendite, desto höher das Risiko. Dass die HSH Nordbank immer höher verzinste Papiere erwarb (und damit krisenanfälliger wurde), um die immer höheren Renditeforderungen der Anteilseigner zu befriedigen, war dem Aufsichtsrat bekannt. Finanzmarktkrisen – ausgelöst durch politische Ereignisse wie etwa die Terroranschläge des 11. Septembers oder durch das Platzen von Vermögensblasen wie etwa auf dem US-Immobilienmarkt – sind kein unvorhersehbarer Akt „höherer Gewalt“. Ein sorgfältig agierender Banker stellt seine Bank so auf, dass ein plötzlicher Absturz der Märkte seine Bank nicht in Schieflage bringt. Und ein pflichtgemäß handelnder Aufsichtsrat überwacht, dass sein Vorstand nach dieser Maxime handelt. Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat der HSH Nordbank, jedenfalls aber die dort sitzenden politischen Vertreter, stets darauf Bedacht hätten sein müssen, dass im Falle einer Insolvenz der Bank (aufgrund der Gewährträgerhaftung) der Steuerzahler für die Verluste der Bank einzustehen hat. Dies ist bei der HSH Nordbank offenkundig nicht erfolgt.
Dabei waren die Warnzeichen einer aufkommenden Krise am Horizont sogar erkennbar: Bereits seit 2004 mehrten sich nämlich – selbst in allgemeinen Tageszeitungen – die Hinweise auf ein Platzen der Immobilienblase in den USA. So meldete etwa die FAZ am 28. Juli 2004: „Zunehmende Sorgen über eine globale Immobilienpreisblase. Experten sehen Gefahr eines Rückschlags.“ Spätestens seit dem Platzen der Immobilienpreisblase in Japan 1989 gehört es auch zur wirtschaftlichen Allgemeinbildung, welche Auswirkungen das für eine Bankenlandschaft mit sich bringen kann. Dieses Wissen darf man auch von Vorständen und Aufsichtsräten einer ehemaligen Landesbank erwarten.
2. Öffentlichkeit und Parlament wurden von der Landesregierung über die Schieflage der HSH Nordbank getäuscht
Die Probleme in der Bank wurden durch die Lehman-Pleite nicht verursacht, sondern höchstens verstärkt. Bereits gegen Ende 2007/Anfang 2008 war die Schieflage der Bank offenkundig. Das Geschäftsmodell stand in Frage, was auch den Mitgliedern im Aufsichtsrat schon damals zur Kenntnis gelangte. Öffentlich wurde ein anderes Bild vermittelt: Zur Begründung der milliardenschweren Kapitalerhöhung im Mai 2008 erklärte Finanzminister Wiegard im Vorfeld, dass das Geld dazu diene, „das Eigenkapital der Bank zu stärken, um sie weiter wachsen zu lassen und sie in die Lage zu versetzen, weitere Kredite zu vergeben“. Tatsächlich aber war die Kapitalerhöhung dringend erforderlich, um die Bank vor einer Herabstufung durch die Ratingagenturen und damit vor einer nachhaltigen Gefährdung des Geschäftsmodells der Bank zu bewahren. Diese Hintergründe wurden vor der Öffentlichkeit verborgen, was auch zu einer Auseinandersetzung im Aufsichtsrat über die Kommunikationspolitik der Bank führte. Dies war eine bewusste Täuschung.
3. In der entscheidenden Phase droht der Untersuchungsausschuss zu einem Geheimausschuss zu werden
Mit dem Untersuchungsausschuss ist es wie in großen Wirtschaftsstrafprozessen.
Auskunftspersonen können sich oft nur noch an Geschehnisse erinnern,
die sie entlasten. Aber es gibt ja die Akten, in denen vieles schwarz auf
weiß steht, z. B. die Protokolle des Aufsichtsrats und Gutachten
von Anwälten und Wirtschaftsprüfern. Bei der Befragung beispielsweise
von ausgeschiedenen Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern ist das
von unschätzbarem Wert. Die Unterlagen werden allerdings weiterhin
unter Verschluss gehalten und dürfen nur in nicht-öffentlicher
Sitzung verwendet werden, um Verantwortliche zu befragen. Der Ausschuss
hat keine andere Wahl, als diese Papiere als vertraulich einzustufen, da
es in den Papieren um Geschäftsgeheimnisse der Bank geht. Die Lösung
könnte sein, dass die HSH Nordbank ihre Papiere schwärzt, soweit
es um Beziehungen zu anderen Firmen geht. Was dann übrig bleibt und
die HSH-Nordbank selbst betrifft, wird der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht. Dann könnte dies auch im öffentlichen Teil des Untersuchungsausschusses
und seines Abschlussberichts erörtert werden.
Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf zu erfahren, warum sie mit ihren Steuergeldern für die Bank haften muss.
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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
im Schleswig-Holsteinischen Landtag
Claudia Jacob
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