BUND kritisiert Plaene für Gefahrstofflager in Projensdorf

(Presseerklärung des BUND vom 22.8.95)

"Die Firma KVP (Kieler Pharma + Veterinärprodukte) im Gewerbegebiet Tannenberg hat einen Antrag auf Errichtung eines Gefahrstofflagers gestellt. Dort sollen hauptsächlich Pestizide bzw. deren Wirkstoffe gelagert werden, die als giftig oder zum Teil sogar als sehr giftig eingestuft werden, wie z.B. Phosphorsäureester, Carbamate und Pyrethroide. Es handelt sich dabei um ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Gisela Lentz, unsere Expertin in der Kreisgruppe Kiel des Bundes für Umwelt- und Naturschutz, hat dazu eine Stellungnahme verfaßt, aus der Auszüge hier vorgestellt werden sollen. Gleichzeitig ist dies aber auch ein Anlaß, die Ansiedlung eines solchen Unternehmens an einem solchen Standort generell zu diskutieren.

In unserer Einwendung zum Verfahren hatten wir etliche Kritikpunkte an der von der Firma vorgelegten Sicherheitsanalyse, die uns in dieser Form als nicht ausreichend erscheint. Der wichtigste Punkt war für uns hierbei die Störfallanalyse. Die Firma geht davon aus, daß bei einem Störfall sämtliche Sicherheitseinrichtungen und Alarmpläne funktionieren, sie schließt also technisches und menschliches Versagen aus. Gerade dies sind aber fast immer die Ursachen für größere Störfälle: Wenn z.B. die Brandschutztür klemmt, jemand trotz Verbotes raucht oder die Leitung zur Feuerwehr gestört ist. Aber auch die Untersuchung eines Kleinbrandes als wahrscheinlichstem Störfall ist unserer Ansicht nach mangelhaft. Es wird z.B. nur vom Brand einer Substanz ausgegangen, dabei müßte man mindestens die Verpackung miteinbeziehen. Oder es wird nur von einer additiven Wirkung der entstehenden Giftstoffe ausgegangen. Dies stimmt nicht einmal für die aufgeführten Substanzen, jedoch halten wir auch diese Liste für unvollständig.

Vertreter der Firma KVP sprechen dabei immer verharmlosend von der Lagerung von Tierarzneimitteln. Dies ist rein rechtlich gesehen wohl richtig, es handelt sich aber um die gleichen oder eng verwandte Wirkstoffe wie sie auch in Schädlingsbekämpfungsmitteln in der Landwirtschaft verwendet werden. Selbst in der Sicherheitsanalyse der Firma ist die Rede von Höchstlagermengen von 1320 t "Schädlingsbekämpfungsmitteln".

Ein weitergehender Explosionsschutz wird für nicht nötig gehalten, da zwei voneinander unabhängige Ursachen zusammentreffen müssen: explosionsfähiges Gasgemisch und Zündquelle. 30-40 größere Störfälle in der Chemieindustrie (laut Umweltbundesamt) zeigen, daß so etwas durch aus möglich ist. Ökotoxikologische Folgen, wie z.B. die Wirkung auf die umliegenden Gewässer werden gar nicht erst untersucht, weil ja erstens angeblich gar nichts austreten kann und weil sich zweitens laut Sicherheitsanalyse keine Oberflächengewässer außer dem Nord-Ostsee-Kanal in 3 Kilometer Umkreis befinden. Dies ist schlicht und ergreifend falsch. Neben Erlenkampsee und Achterkampsau befinden sich noch diverse andere Bäche und Teiche in unmittelbarer Nähe, darunter ein Teich, der als Artenschutzgebiet ausgewiesen ist. Auch das Wasserwerk Wik wird nicht berücksichtigt.

Pikanterweise werden Erdrutsche als mögliche Störfallauslöser ausgeschlossen, jedoch ist von der Firma KVP selbst bei der Erweiterung der Firma Warico eine Einwendung gegen die Abtragung der Böschung gemacht worden, mit der Begründung, daß dadurch Erdrutschungen auf dem Betriebsgelände der Firma KVP auftreten können.

Neben diesen Punkten, die Gegenstand des BImSchG-Verfahrens sind, sollte man aber auch andere Gesichtspunkte nicht vergessen. Immer noch ist der Verkehr durch die Projensdorfer Straße eine der größten Gefahrenquellen. Man stelle sich einmal vor, ein Tanklastwagen vom oder zum Öllager am Nordhafen und ein LKW, der mit Schädlingsbekämpfungsmitteln beladen ist, haben einen Unfall. Dies ist ein Szenario, dessen Wirkungen nicht mehr abzuschätzen sind. Vielfach wird angesichts der Verkehrsproblematik auf den zu erwartenden Bau des Wiker Knotens verwiesen: nur, daß dann die Anwohner der Schleusenstraße die Gifttransporte vor der Haustür haben. Vielleicht hofft man ja, daß sich dort aufgrund der Sozialstruktur kein so massiver Protest gegen solche Pläne erhebt.

Von der Firma wird die geplante Erweiterung mit dem Argument verkauft, dadurch würden ein bis zwei LKWs am Tag mit Gefahrguttransporten durch die Projensdorfer Strasse wegfallen. Das gilt aber nur für die jetzige Größe des Betriebes. Gleichzeitig plant sie aber schon eine Erweiterung der Produktion.

Hier soll offensichtlich mittels Salami-Taktik eine massive Erweiterung des Betriebes durchgesetzt werden, der so als Neuanlage an diesem Standort heutzutage höchstwahrscheinlich nicht mehr genehmigungsfähig wäre. Dies ist aber auch eine Folge der verfehlten Standortpolitik der Stadt Kiel, die es zuläßt, daß sich in einem so sensiblen Bereich derart problematische Betriebe ansiedeln und laufend erweitern. So quasi als Vorausnahme der Genehmigung hat die Firma an der zukünftigen Baustelle schon mal die Böschung abgetragen und zwei Bunker aus dem zweiten Weltkrieg entfernt. Interessant wäre es zu wissen, ob die dort bestehenden Altlasten dabei ordnungsgemäß entsorgt worden sind. Immer wieder klagen Anwohner und Spaziergänger auf dem direkt angrenzenden Kanalwanderweg auch über Geruchsbelästigungen. Daher sollte auch eine regelmäßige, nicht angekündigte Überprüfung der Gesamtemmissionen stattfinden.

Ein weiteres Szenario wäre ein Brand im "normalen Lager". Die dort gelagerten Stoffe gelten zwar nicht mehr als "Gefahrstoffe", weil die Pestizide nur in der entsprechenden Verdünnung vorliegen, aber durch die dort gelagerte Menge ergibt sich unserer Ansicht nach eine genügend große Gefährdung von Mensch und Umwelt in der Nachbarschaft. Dort befindet sich zwar eine Brandmeldeanlage, aber, im Gegensatz zum Gefahrstofflager, keine Löschanlage. Durch die großen Mengen an Verpackungsmaterial wie Pappe und Papier könnte sich ein Brand auch schnell ausbreiten.

Nach dem neuen Umwelthaftungsgesetz haftet die Firma übrigens für alle von ihr verursachten Schäden, ist aber nach eigenen Angaben nicht für diesen Fall versichert. Längerfristig stellt sich jedenfalls die Frage an die Kommunalpolitiker, ob ein solcher Betrieb mitten in ein wertvolles Erholungsgebiet und so nah an einen Wohnbereich gehört.

P.S.: Bei einer öffentlichen Veranstaltung behauptete der Geschäftsführer, daß dort keine Substanzen gelagert werden, die Chlor enthalten und aus denen im Brandfall Dioxine entstehen können. Dies widerspricht aber ganz eklatant den Stoffen, die in der Sicherheitsanalyse aufgeführt sind, wie er im kleinen Kreis ein paar Tage später auch zugab. Falls es sich um schlichtes Nichtwissen handelt, ist dies angesichts der Brisanz der Situation zumindest peinlich."