Presseerklärung zu der Ermordung eines Kurden in Neumünster

"Am Sonntag, dem 3.9.95 wurde in Neumünster bei einem Angriff von Anhängern der faschistischen "Grauen Wölfe" der Kurde Sedat Kalan durch Schüsse ermordet, zwei weitere wurden verletzt. Einer der Verletzten befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr. Dieser Angriff ist vorläufiger Höhepunkt einer Reihe von Überfällen türkischer Faschisten, die in der Bundesrepublik zunehmend Terror gegen KurdInnen und KritikerInnen des türkischen Staates ausüben. In Neumünster kam es bereits am Samstag zu einer Hetzjagd auf kurdische Menschen. Auch der Angriff vom Sonntagabend ging, entgegen den Behauptungen der Polizei, die den Mord mit "Selbstverteidigung vor bewaffneten Kurden" rechtfertigte, von den türkischen Faschisten aus. Das zeigt sich auch darin, daß es nur auf Seiten der Kurden Verletzte und einen Toten gab.

Die türkischen Faschisten haben im Krieg des türkischen Staates gegen das kurdische Volk eine entscheidende Rolle. Sie sind integraler Bestandteil der Spezialeinheiten, die gezielt in den kurdischen Regionen eingesetzt werden. Als Angehörige der staatlich gelenkten Konterguerilla sind sie verantwortlich für die Ermordung von Hunderten von Menschen. Der türkische Generalstab hat mehrmals angekündigt, diesen Krieg gegen das kurdische Volk über die Grenzen der Türkei hinauszutragen. Insbesondere solle gezielt in Europa gegen "separatistische Kurden" vorgegangen werden. Dafür sind erneut vom türkischen Staat gelenkte Anhänger der faschistischen MHP (Nationale Bewegungspartei), sog. Graue Wölfe, aufgerufen worden, diese Aufgabe zu übernehmen.

Die Ereignisse der letzten Wochen sind deutliche Anzeichen dafür, daß die türkischen Faschisten hier eine Welle der Gewalt gegen kurdische Einrichtungen und KurdInnen begonnen haben. Die Vertreter des türkischen Staates - die Botschaft und die Konsulate - heizen die Stimmung auf von ihnen in verschiedenen Städten abgehaltenen Veranstaltungen an. Diese regelrechte Kriegshetze und die Schürung chauvinistischer Haltung soll vor allem einen Nährboden in Kreisen türkischer Jugendlicher finden, um sie als potentielle Angreifer zu organisieren.

Die "Grauen Wölfe" wollen mit ihren Aktionen zum einen erreichen, daß der Krieg des türkischen Staates in die hier lebende Bevölkerung getragen wird, zum anderen wollen sie in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, es handele sich dabei um einen Krieg zwischen dem kurdischen und dem türkischen Volk. Bei ihrer neuen Gewaltwelle brauchen die türkischen Faschisten eine Verfolgung durch den deutschen Staat nicht zu fürchten. Im Gegenteil: Während die deutschen Behörden massiv gegen KurdInnen und ihre Vereine vorgehen und friedliche Aktionen wie zuletzt die Hungerstreiks auflösen, kann die MHP mit Wissen derselben Behörden in als Moscheen und Sportvereine getarnten Zentren ihre Anhänger für den Krieg gegen die "Feinde der Türkei" ausbilden. Diese offenkundige Billigung und Unterstützung terroristischer Aktivitäten ist ein weiterer Beweis für die Rolle der BRD im Krieg gegen das kurdische Volk. Der Forderung von Innenminister Kanther, man müsse sich bei der Bekämpfung der PKK auch auf türkische Mitbürger stützen, wurde durch die erneuten Angriffe genauestens nachgekommen. Die Haltung der Bundesrepublik, die den Krieg des türkischen Staates aktiv unterstützt und anheizt, ist darauf gerichtet, eine politische Lösung zu verhindern. Es ist die Aufgabe aller demokratischen Menschen und Organisationen, mit ihrer Solidarität diesem rassistischen Klima entgegenzuwirken. 4.9.95."

Deutsch-Kurdische Gesellschaft e.V., Boninstr. 50, 24114 Kiel

Kurdisches Zentrum Rendsburg, Nienenpassage 12, Rendsburg, Kultur- und Solidaritätsverein Neumünster, Kieler Str. 32, 24534 Neumünster.

Nach Redaktionsschluß fand am 5.9. in Neumünster eine Pressekonferenz statt. Ein Trauermarsch findet am Samstag, den 9.9. um 11 Uhr in Neumünster statt. Informationen unter 04321/46528.