Dem Multikulti die Lichterkette ausblasen!

Das richtige Buch zur richtigen Zeit, ein aktuelles Thema, Authentizität. Bon! „Kanak Sprak“, das literarische Debut von Feridun Zaimoglu, gerade im Rotbuch Verlag erschienen, erfüllt all diese Kriterien. Ein feister Happen für Multikultis in den finsteren Zeiten deutscher Fremdenfeindlichkeit. Der aber möge ihnen im Halse stecken bleiben!

Vertraut man dem Klappentext und der 3/4-seitigen Aufmerksamkeit, welche die „Kieler Nachrichten“ dem Maler und Autor jüngst (nach jahrelanger Ignoranz) angedeihen ließen, so ergibt sich folgendes Bild: Ein Türke, der fast sein ganzes 31jähriges Leben in Deutschland verbracht hat, davon 11 Jahre in Kiel, läßt seine Landsleute aus der 2. und 3. Immigrantengeneration im O-Ton zu Wort kommen. Den grün und multikulturell behauchten Leser freut‘s. Endlich spricht der geliebte Feind – oder doch „irgendwie“ ungeliebte Freund aus Ausland, wie ihm der Schnabel gewachsen ist – authentisch! „Wie lebt es sich als Kanake in Deutschland?“ – das möchte der aufgeklärte Fremdenfreund, der seine eingelegten Oliven beim „Türken um die Ecke“ kauft und Döner lieber mag als Eisbein, schon gerne mal wissen und lauscht voyeuristisch erstaunt und wahrscheinlich „irgendwie auch unheimlich betroffen“ den „24 Mißtönen vom Rande der Gesellschaft“.

Schon dieser Untertitel spricht – unfreiwillig zwar, aber dennoch – Bände aus dem Lexikon des positiven Rassismus. Die Mitte der Gesellschaft nimmt ihre Ränder wahr, indem sie den am Rande Stehenden in wiedergutmachender Absicht endlich ein Augenmerk widmet. Was zu unrecht an der Peripherie sein Dasein fristen muß, darf einige anklagende „Mißtöne“ ablassen und dann wieder am runden Tisch der Mitte platznehmen.
 
 

Zaimoglus Underground-Interviewpartner jedoch dürften durch die Bank kein Interesse daran haben, ihre Füße unter diesen Tisch zu stellen. Sie faseln auch nicht Anklage in dem Sinne, daß sie bitte auch in Alemannistan die „gleichen Rechte“ bekommen möchten. Hier geht es um trotzige Differenz statt um gleichmachende Eingeweidung in den deutschen Pfuhl. Aus jedem sprachgewaltigen Wort ihrer „Kanak Sprak“ spricht der Stolz, am Rande zu stehen, denn in Deutschland, so wie es sich nicht erst heute gebärdet, muß es als Ehre gelten, nicht „dazu“ zu gehören. Respect! Drum ist in der „Kanak Sprak“ auch nichts zu hören von Unterdrückten, die winselnd angekrochen kommen, wenn ihnen der grün-rosa kleinkarierte Bourgeois die völkerverständige Hand reicht. Vielmehr werden an jenem „Rande der Gesellschaft“ sprachliche Sprengsätze gebastelt, mit der Absicht, deren Detonation möge jener Mitte die heuchlerischen Kerzen ihrer Lichterketten ausblasen – dem Zentrum der Gesellschaft, das nichts so sehr fürchtet wie jedes Extrem, das in seiner gemäßigten Variante daher versucht, die Extreme mit amorpher Geste einzugemeinden, während der Kanther-Remix des allgegenwärtigen Rassismus gleichzeitig eine konsequente Ausrottung betreibt.

Die abzusehende Rezeption der „Kümmelprotokolle“ (so der ursprüngliche Arbeitstitel) durch das „aufgeklärt“ dazu kopfnickende Deutschländerwürstchen wird sich Feridun Zaimoglu gefallen lassen müssen. Das Versprechen, die Interviewten „nicht an die Alemannen zu verkaufen“, dürfte bereits gebrochen sein. Doch nicht vom Autor selbst. Er hat mit seiner „Kanak Sprak“ Lunten ans deutsche (Sprach-) Gebäude gelegt. Diese anzünden müssen jetzt andere. (jm)

Feridun Zaimoglu: „Kanak Sprak – 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft“, Rotbuch Verlag, 141 S., 29,80 DM. Lesung am 26.9., 20 uhr im Kulturviertel (Sophienhof)!