Auch in diesem Jahr fanden vom 15.9. bis zum 30.9. die inzwischen 3. Interkulturellen Wochen in Kiel statt, veranstaltet, wie immer, durch das Referat für AusländerInnen der Landeshauptstadt Kiel in Zusammenarbeit mit dem Vorbereitungskreis Interkulturelle Wochen.
In diesem Rahmen vielfältiger Veranstaltungen wurde von der Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft
der Vortrag „Abschiebehaft, ein deutscher Skandal“ angeboten. Dieser Vortrag
stand vor dem leider immer noch traurig aktuellen Hintergrund, daß
mit der faktischen Abschaffung des Asylrechtes, dem sogenannten „Asylkompromiß“,
immer mehr Flüchtlinge als abgelehnte AsylbewerberInnen in „Abschiebehaft“
sitzen. Dort verbringen sie zusammen mit anderen „Strafgefangenen“ oftmals
zudem unter unwürdigen Bedingungen bis zu 18 Monate. Für manchen
Flüchtling endete diese „Abschiebehaft“ sogar schon im Tod. Vor diesem
Kontext wollte der Referent Martin Hagenmeier, Pastor in der Justizvollzugsanstalt
Kiel, über die Situation in Schleswig-Holstein berichten.
Diese Situation wurde mit eindeutigen Zahlen aus dem Justizministerium
des Landes beschrieben:
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1991 |
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1992 |
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1993 |
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1994 |
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1994 |
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Für 1995 seien die Zahlen leicht rückläufig, aber vom
Justizministerium würden weiterhin bis zu 10% der Haftplätze
der „Abschiebehaft“ vorgehalten.
Zur Zeit seien in der JVA Kiel ca. 4 Flüchtlinge in „Abschiebehaft“.
Das liege daran, daß „abzuschiebende“ Flüchtlinge in Lübeck
und Neumünster zentral zusammengelegt werden sollen.
Hinter all diesen Zahlen stünden jedoch schutzlose Menschen, an denen allerdings als „Objekte“ der Behörden „juristifiziert-rechtstaatlich“ letztlich die rechte Hetzparole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ real praktiziert werde. Außerdem würden in geradezu zynischer Weise den „abgeschobenen“ Flüchtlingen sogar noch die Kosten dafür auferlegt. Mithin sei jedoch die „Abschiebehaft“ nur die Spitze des Eisberges, wie in der BRD mit hierher geflüchteten schutzlosen Menschen umgegangen werde.
Die Diskriminierung von Flüchtlingen, deren „Verbrechen“ es in den Augen der politisch-behördlichen Obrigkeit sei, überhaupt in die BRD zu kommen, beginne schon mit der sogenannten „Nachweispflicht der Asylberechtigung“, setze sich fort mit einer permanenten negativ orientierten Anwendung der Gesetze/Be- stimmungen und dem Absprechen der Glaubwürdigkeit von Flüchtlingen (z.B. wegen doppelter Identitäten oder „Auflagenverstöße“ wie der Arbeitsaufnahme oder Inanspruchnahme von Bewegungsfreiheit). Schließlich werde in den Augen des Behördenapparates der „abzuschiebende“ Flüchtling sogar zu einer „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“, der „unverzüglich auszuweisen“ sei.
Um einer solchen Politik wirkungsvoll entgegentreten zu können,
genüge es nicht sich in der Diskussion ausschließlich mit Verfahrensfragen
zu beschäftigen. Sicherlich solle nicht die individuelle Wichtigkeit
von Forderungen wie die „Begrenzung der Abschiebehaft“ auf 6 Wochen oder
gar die Abschaffung derselben für den einzelnen Flüchtling in
Abrede gestellt werden. Doch die eigentlichen Fragen seien in Bezug auf
die Fluchtursachen zu stellen. Und hier kommt automatisch die ungerechte
Weltwirtschaftsordnung als Hauptursache ins Blickfeld, wie auch die Rolle/Verantwortung
der BRD in diesem Komplex. Allein die jetzige „Stand- ortdebatte
Deutschland“ werde mit ihren Produktionsverlagerungen ins „billigere Ausland“
dort wirtschaftlich-soziales Elend zementieren, was wiederum neue Migrationsströme
in naher Zukunft in Gang setzen werde, die hier, so sie überhaupt
bis hierher gelangen (Festung Europa), natürlich wieder in diese
Bürokratie- maschienerie geraten. Vielleicht könne die Utopie
einer christlichen Universalgesellschaft ohne Klassifizierungen von Menschen
den gordischen Knoten sprengen, so der Referent abschließend. (tg)