Versorgung und Verkehr in Kiel vor der Privatisierung?

Seit einiger Zeit hängt auch über den Versorgungs- und Verkehrsbetrieben Kiel (VVK) das Damoklesschwert der Privatisierung. Vor einem Jahr erstellte das renommierte Unternehmensberatungsbüro Roland Berger & Partner eine Studie, wie das Versorgungsunternehmen effektiver arbeiten könne. Einige der Vorgaben von Berger & Partner sind inzwischen inkraftgetreten. Um aber die komplizierte Ausgangslage der (VVK) besser verstehen zu können, hier zunächst einige Informationen zur Unternehmensstruktur.

Die VVK ist eine GmbH mit der Stadt Kiel als Gesellschafter. Sie untergliedert sich in zwei Aktiensgesellschaften, bei denen die VVK Hauptaktionär ist, die Kieler Verkehrs AG (KVAG) mit 800 Beschäftigten und die Stadtwerke Kiel AG (StwKAG) mit 1.500 Beschäftigten. Aufgaben der KVAG sind Busbetrieb, Förde- und Schleppschiffahrt. Die StwKAG verkauft Strom, Wasser, Fernwärme und Erdgas. Im folgenden zu den Tochterunternehmen der VVK im einzelnen.

Die KVAG

In den 80er Jahren wurde von der KVAG der Straßenbahnbetrieb eingestellt, wegen der zu erwartenden hohen Kosten beim infolge Veraltung der Fahrzeuge notwendigen Umbau des Schienennetzes auf eine andere Spurweite. Danach wurden massiv Busse eingekauft und ein neues Busnetz aufgebaut. Die Fahrpreise beschließt der Magistrat, denn die KVAG ist als Monopolverkehrsunternehmen an den Versorgungsauftrag des Grundgesetzes gebunden.

Vor allem seit der Einführung des neuen Busnetzes macht die KVAG ständig steigende Verluste. Hinzu kommt, daß ihr Monopol als ÖPNV-Anbieter mittlerweile bröckelt, denn nach EU-Richtlinie werden jetzt auch andere Busunternehmen auf den KVAG-Strecken zugelassen (Autokraft und VKP). Aufgrund dieser negativen Entwicklung sollten Berger & Partner ein Sparkonzept entwickeln.

Dieses Konzept forderte, eine zweite (private) Gesellschaft zu gründen und mittels Fluktuation neue Mitarbeiter einzustellen, die nach Tarifen bezahlt werden sollten, „wie sie für private Verkehrsbetriebe üblich sind“. Das würde für die Mitarbeiter bedeuten, daß sie nur 50-70% dessen verdienen, was jetzt im Öffentlichen Dienst üblich ist! Ferner sollte die Schleppschiffahrt aus der KVAG ausgegliedert werden, der einzige KVAG-Bereich, der schwarze Zahlen schreibt – getreu der Devise, daß nur die „Sahnestücke“ zur Privatisierung freigegeben werden, der unrentable Rest aber beim öffentlichen Träger verbleibt. Gegen niedrigere Bezahlung und die Ausgliederung der Schleppschiffahrt konnte sich der Betriebsrat allerdings erfolgreich wehren.

Weitere Maßnahmen im Katalog von Berger & Partner: Abbau von freiwilligen Sozialleistungen des Arbeitgebers (Leistungen, die über den Tarifvertrag hinausgehen) und zur Erhöhung der Umsatzseite z.B. die „eigenverantwortliche Wahrnehmung aller Entscheidungsprozesse bei Angebots- und Tarifanpassungen, insbesondere im Hinblick auf den Kieler Verkehrsverbund“ – das Ticket zur Reduzierung oder Einstellung unrentabler Buslinien und der Freifahrtschein für Tariferhöhungen. Letztere stehen jetzt bei den Einzelfahrscheinen der KVAG gerade an.
 

Die Stadtwerke Kiel AG

Die Stadtwerke sind als Versorgungsunternehmen für Strom, Wasser, Gas und Fernwärme in Kiel ein konjunkturunabhängiger Monopolbetrieb, der traditionell Gewinne in Höhe von ca. 60 Mill. DM pro Jahr vor Abzug von Steuern und Abgaben macht (welche bislang auch zum Ausgleich der Defizite der KVAG dienten). Aufgrund von EU-Erlassen ist die StwKAG jedoch gezwungen, das Management an marktwirtschaftliche (sprich privatwirtschaftliche) Prozesse anzupassen, z.B. durch Senkung von Strompreisen für Großabnehmer und in der Zukunft durch Schaffung eines eigenen, Telekom-unabhängigen städtischen Kommunikationsnetzes, das ebenfalls Gewinn erwirtschaften soll.

VVK-Vorstand und Betriebsrat hatten bereits vor der Berger-Studie zwei eigene Sparkonzepte entwickelt. Das Sparkonzept I hatte mittels Vorruhestandsregelung ab 58 Jahren bereits eine Einsparung von 200 Stellen bewirkt. Berger & Partner forderten den Abbau von weiteren 150 Stellen, von denen der Betriebsrat 50 erhalten konnte. Der verbleibende Berger-Plan soll bis zum Jahr 2000 durchgezogen werden.

Schon die Vorruhestandsregelung ist jedoch, betrachtet man sie gesamtgesellschaftlich, unsinnig. Es werden lediglich Kosten des Unternehmens auf die Sozialversicherungsträger abgewälzt. So erhöht 1. das Arbeitslosengeld der Vorruheständler im ersten Jahr die Ausgaben der Arbeitsämter. 2. kosten die Vorruhestandsrenten die Rentenversicherungsträger und letztlich dann wieder auch die Unternehmen Unmengen an Beiträgen und Zusatzkosten. Last not least sinkt 3. die Kaufkraft der Vorruheständler, was sich wiederum gesamtwirtschaftlich auswirkt.

Berger & Partner wollten neben dem weiteren Stellenabbau zusätzlich die Unternehmensstruktur verändern, vor allem in den Führungsebenen. Jedoch wurde – mit Wirkung zum 1.7.95 – von den bislang fünf Führungsebenen nur eine eingespart. Die Unternehmensstruktur, wie oben skizziert,  bleibt ansonsten erhalten.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Plan von Berger & Partner nur zu geringen Teilen umgesetzt wurde, nicht zuletzt auch wegen des Widerstands des Betriebsrats v.a. bei Stellenabbau und Lohnkürzungen. Insbesondere von der Struktur her bleibt (vorerst?) fast alles beim alten. Die KVAG bleibt Tochter der VVK ebenso wie die StwKAG, die mit ihren Gewinnen weiter die Defizite der KVAG ausgleicht. Dennoch: auch wenn der Berger-Plan in seinen schlimmsten Auswüchsen verhindert werden konnte, so bleibt doch eine typische Tendenz solcher an privatwirtschaftlichen Maximen ausgerichteten Konsolidierungspläne zu konstatieren: 1. Lohnkosten werden „ausgegliedert“, sprich u.a. per Vorruhestandsregelungen auf die öffentlichen Sozialversicherungsträger und damit die Allgemeinheit abgewälzt. 2. Zur Privatisierung werden nur gewinnträchtige Unternehmensteile vorgesehen. Die Unternehmensteile, die etwa den öffentlichen Versorgungsauftrag realisieren, verbleiben als nach wie vor unrentabel beim öffentlichen (in diesem Falle kommunalen) Gesellschafter. Die Zielrichtung ist klar, ob gewollt oder nicht: Die Finanzmisere der Kommunen wird zementiert, so daß früher oder später die Grundversorgung mit ÖPNV nicht mehr leistbar sein wird. Die Autolobby kann sich freuen. (jm, nach z.T. internen Informationen)