Energiebericht vorgelegt

Claus Möller, Ende der 80er Jahre in Kiel als Ordnungsdezernent verantwortlich für den rigiden Umgang mit Kernenergiegegnern, jetzt schleswig-holsteinischer Energieminister, hat seinen jährlichen Bericht vorgelegt. Und er hat wahrlich beachtliches vorzuweisen: Der Anteil der Kernkraft an der Stromerzeugung im Lande sank von über 90% im Jahre 87 auf rund 80% 1994. Sollte dieses Tempo beibehalten werden, könnten wir es in etwa 60 Jahren geschafft haben. Aber: „Der schnellst mögliche Ausstieg aus der Kernenergie bleibt daher das erklärte Ziel der Landesregierung.“ 1988, bei Regierungsantritt, hatte es noch „in zwei Jahren“ geheißen, danach wurde das Ziel bald auf 1996 reduziert (das wäre in zwei Monaten).

Ansonsten enthält der Bericht des Energieministers sehr viel Eigenlob in Sachen Kraft-Wärme-Koppelung und Windenergienutzung. Genaueres Hinsehen ergibt jedoch, daß es mit denen so weit nicht her ist. Stromerzeugung aus Windenergie weist zwar derzeit beachtliche Wachstumsraten auf, aber selbst wenn sich der derzeitige Trend fortsetzte, würde es 25 Jahre dauern, bis 50% der derzeitigen Stromproduktion Schleswig-Holsteins aus den Windmühlen kommen könnten. Windenergie wird als auch in Zukunft nur einen kleinen Teil des Energieverbrauchs decken können, wenn nicht massivst gespart wird.

Ähnlich bescheiden ist der Anteil des in den effizienten Blockheizkraftwerken gewonnenen Stroms. Ihren Anteil an der installierten Kraftwerksleistung im Lande kann Möllers Bericht nicht einmal genau angeben, schätzt ihn aber auf 40 Mega Watt (MW) gegenüber 5.195 MW insgesamt. Dafür daß der Anteil auch in Zukunft so klein bleiben wird, sorgt die ungebrochene Orientierung auf Großanlagen, die naturgemäß mit weitaus geringerem Wirkungsgrad und wegen der langen Wege zu den Verbrauchern höheren Leitungsverlusten arbeiten. Aktuell geplant ist der Bau eines 400 MW Kohlekraftwerks in Lübeck.

Und obwohl Schleswig-Holstein einen nennenswerten Teil seines Stroms exportiert, wurden in den letzten Jahren neue Hochspannungstrassen nach Skandinavien gebaut und u.a. das von Umweltschützern heftig kritisierte Baltic Cable durch die Ostsee von Lübeck nach Schweden verlegt. Auf diese Art wird die zentralistische Struktur der Stromerzeugung mit all ihren Nachteilen für Jahrzehnte zementiert. Nicht nur der Ausstieg aus der Atomwirtschaft wird so erschwert, auch eine deutliche Reduzierung der Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid, das bei der Verbrennung von Kohle und Mineralölen entsteht, scheint so kaum möglich.

Aber, und auch das zeigt der Bericht, der Strom hat zwischen Nord- und Ostsee nur einen Anteil von 13,7% am Endenergieverbrauch. Wenn es also um Vermeidung von Treibhausgasen geht, muß man sich auch andere Sektoren des Energieverbrauchs vornehmen, vor allem die Bereiche Heizen und Verkehr. Was ersteres angeht, fördert die Landesregierung pro Jahr einige hundert Wohnungen in Niedrigenergie-Häusern, sicherlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Allerdings können sich die Landespolitiker hier wie auch bei der notwendigen Altbestandssanierung darauf berufen, daß aus Bonn zuwenig passiert. Aber auch viele Kommunalpolitiker haben offensichtlich immer noch nicht verstanden, was die Stunde schlägt: In Raisdorf bei Kiel lehnte der Gemeinderat unlängst die Errichtung eines Blockheizkraftwerks in einem Neubaugebiet ab, mit dem auf effiziente Weise zugleich Strom und Wärme hätten produziert werden können.

In Bezug auf die Verminderung des Treibhausgasausstoßes nennt der Bericht das Ziel von –25% bis 2005 und –50% bis 2050. Von den Forderungen der Wissenschaftler der Vereinten Nationen an die Industrieländer, ihre Emissionen um 60 bis 80% zu reduzieren, hat man in Kiel scheinbar noch nichts gehört.

Um die Frage, wie der steigende Energieverbrauch des Verkehrssektors (d.h. vor allem des Straßenverkehrs) gedrosselt werden kann, mogelt sich der Bericht gänzlich herum. Statt dessen findet man so schöne Lyrik wie: „Das Land hat große Anstrengungen unternommen, um einen merkbaren Strukturwandel in Richtung eines umwelt- und resourcenschonenden Energiesystems zu erreichen.“ – „Durch den Bau neuer Autobahnen?“, fragt sich der Leser. (wop)