Christian Klar im Hungerstreik

Bruchsal. Christian Klar, Gefangener aus der RAF, ist am 1.9.95 in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. In seiner Hungerstreikerklärung vom 3.9. begründet er den Schritt:

Es gibt eine ganze Reihe von Problemen, die ein Gefangener aus eigener Kraft lösen kann. Wenn ein Minimum an Bewegungsfreiheit innerhalb eines Knastes oder eines Flügels existiert, die Zusammensetzung der Gefangenenbelegung nicht völlig manipuliert werden kann (also anders als in kleinen Abteilungen oder „Wohngruppenvollzug“), findet sich immer eine Spur von Beziehungen, die zu solidarischem Handeln entwickelt werden kann. Da ist ein Boden, auf dem ein Kampf gegen die Erniedrigung und gegen die unzähligen Restriktionen des „Knastalltags“ aus eigener Kraft aufgenommen werden kann und auch zu positiven Erlebnissen führt.

Der Alptraum beginnt da, wo der Knast bzw. die übergeordneten Behörden die weitergehende oder vollständige Absonderung anordnen (wie hier in Bruchsal, seit nun bald einem halben Jahr, bei Ivan Jelinic) oder wo sie die Isolierung nach draußen zuspitzen (durch die Besuchsbedingungen, Besuchsverbote, Postzensur) oder wo sie Erkrankungen von Gefangenen gezielt zur Schwächung der Widerstandskraft ausbeuten (durch Verschleppung oder Verweigerung angemessener medizinischer Behandlung).

Und natürlich gehört dazu die Doktrin, gemeinsame Unterbringung der politischen Gefangenen zu vereiteln. Hungerstreik ist eine Kampfform, die diese Brücke nach draußen sucht.

Es ist der kämpferische Vorschlag, für eine Zeit und für ein konkretes Ziel die Kräfte zusammenzutun.

Vergangenen Freitag habe ich den folgenden Zettel zur Anstaltsleitung gegeben:

1.9.95: Ab heute bin ich im unbefristeten Hungerstreik

- für die Aufhebung aller verhängten Besuchsverbote;

- für die Zulassung von bis zu drei Personen bei Besuchen, wie es hier allgemein möglich ist;

- für die Aufhebung des Telefonverbots;

- für die Achtung meines Rechts auf Briefkontakte.

Zu den Besuchsverboten:

Die wurden verhängt gegen: Günter Sonnenberg, Bernd Meyer (ein ehemaliger Gefangener, der nach der Knastrevolte 1990 in Fuhlsbüttel nach Bruchsal zwangsverschubt wurde und 1994 entlassen worden ist), Irmgard Möller, Lutz Taufer, Manuela Happe, Stefan Wisniewski (das betrifft einen Antrag auf „Besuchszusammenführung“, im Zuge eines Transports, der Stefan nach Baden-Württemberg bringen würde).Die Besuchsverbote wurden jeweils damit begründet, daß die Besuche „schädlichen Einfluß“ auf den Gefangenen haben würden, der dem „Vollzugsziel“ entgegensteht.

Zur Zensur:

Ich kenne eine absolut zerstörende Zensurpraxis aus den Jahren 89 bis 92, nach dem HS (Hungerstreik – Red.) im Jahr 89 veränderte sich die Sache zum Besseren, nun kehrt es sich seit einer Weile wieder um, neben unzähligen „wilden“ Postanhaltungen (nach Tageslaune des Zensors) sind auch hier Schwerpunkte festzustellen:
Nachdem eine Gefangene aus Action Directe versuchte, einen Briefwechsel zu beginnen, wurde jeder politische Text aus der Diskussion der Gefangenen in Frankreich angehalten. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf der Behinderung der Diskussion mit Genossen in Berlin, die sich stark für eine Auseinandersetzung um die deutschnationalen Strömungen (auch in der Linken) einsetzen. (Quelle: CL-Netz)