Trierer Studie

„Doppelkopf. Fremdenfeindliche Gewalt junger Menschen“

Ein Studie herausgegeben von der Landeszentrale für Politische Bildung zum Thema Gewalt von Rechts in Schleswig-Holstein

Nach dem Brandanschlag in Mölln im November 1992 saß dem schleswig-holsteinischen Justizminister Klingner sowohl ein Schrecken in den Knochen als auch die Spendierhose locker. Verschreckt ließ er befreundete Sozialpädagogen fragen: Woher kommt bloß diese Gewalt von rechts?

Einem Mitarbeiter der Landeszentrale für Politische Bildung in Kiel, Günter Kahl, der lange Zeit als Jugendgerichtshelfer tätig war, stellte der Justizminister die Akten von Straftaten aus dem rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Umfeld zur Verfügung. Dieser zog die rein biographischen Informationen zu den meist jugendlichen Straftätern aus der Aktenlage heraus und verfremdete sie aus datentechnischen Gründen, bevor die „Fälle“ zwei Trierer Sozialpädagogen als Grundlage für die nun vorliegende „Trierer Studie“ übergeben wurden.

Vor dem Hintergrund der Verhängung von Höchststrafen im Solingen-Prozeß wirkt die Studie mit dem schönen, verharmlosenden Titel „Doppelkopf“ sonderlich zahnlos. Es findet keine Aufklärung über moderne rechte Ideologien statt. Die geschilderten Fälle, sie reichen von Pöbeleien über Brandstiftung, Raub und Körperverletzung bis hin zu Mord, werden als Einzelaktionen von alkoholisierten, geltungsbedürftigen, sozial wie finaziell minderbemittelten Jugendlichen dargestellt. Es wirkt beinahe zufällig, daß diese auf die schiefe Bahn geratenen, gesellschaftlich ausgegrenzten Kinder sich unter fremdenfeindlichen Parolen an Ausländern vergreifen. Mit viel Nachsicht werden verschüttete, durch gewalttätige Eltern, Heimaufenthalte und fehlende Schul- und Berufsabschlüsse markierte Lebensläufe ausgebreitet. Ein Untertitel der Studie lautet „Analysen und Impressionen“. Das deutet auf ein poetisches Anliegen hin. Impressionen: Es werden Bilder gemalt, die durch die Authentizität der Fälle beeindruckend sind. Die versuchten Analysen bleiben allerdings im Allgemeinbekannten stecken. Die Forderungen sind banal: bessere Situationen für sozialschwache Familien zu schaffen, bessere Sozialarbeit in Schule und in der Jugendbetreuung, „Erlebnispädagogik“.

Für ganz mutig halten sich die Autoren der Studie, wenn sie eine eigentliche Ursache benennen, wenn sie die gesellschaftliche Diskussion der Asylfrage erwähnen und die Veschärfung des Asylgestzes unter anderen Faktoren für die Verstärkung der fremdenfeindlichen Gewalt Jugendlicher mitverantwortlich machen.

Die Studie bleibt in einer oberflächlichen Beschreibung von einigen Fallbeispielen stecken. Sie bringt in fast beschämender Weise viel Verständnis für die Täter auf. Die beigegebenen Illustrationen versinnbildlichen die Message des Textes: Ein Skinhead schlägt sich mit einem Baseballschläger selbst auf die Stirn, Gesichtszüge und Proportionen lassen ihn als Kleinkind erscheinen, er hält eine Bierflasche in der rechten Hand und hat ein Hakenkreuz auf dem entblößten Oberarm. Sein Name ist „Skind“ - also ein Kind, naiv und irgendwie unschuldig und eigentlich nur ein Opfer der Gesellschaft, eigentlich nur „Seismograph der Gesellschaft“.

Im gesamten Text herrscht eine sehr angestrengte, wissenschaftlich stark überformte Sprache, die jedoch auf der anderen Seite an das Sprachniveau der Täter anzuknüpfen versucht. Da ist „Gewalthandeln“ schon mal ein „Epiphänomen“, da die Skinds nur über einen „eingeschränkten Ressourcenfundus verfügen“. Immerhin wird vehement eine Verbesserung der Lebensumstände von sozialschwachen Jugendlichen, die „Herstellung gesunder und gerechter Lebensverhältnisse“ gefordert.

Die Gefahren der ideologischen Grundeinstellung des Neo-Nationalsozialismus in der bundesdeutschen Gesellschaft werden leider nur am Rande gestreift, da man in der Studie davon ausgeht, daß nur eine Minderheit der Täter „ideologisch gefestigt“ ist. kah

Die Studie ist kostenlos zu beziehen bei: Landeszentrale für Politische Bildung, Düvelsbeker Weg 12, 24105 Kiel.