Kommentar:

The Greens to the Front

Eins muß man der Bundesregierung lassen: An PR-Geschick mangelt es ihr nicht. Häppchenweise wird die Öffentlichkeit darauf vorbereitet, dass Deutsche Interessen demnächst auch wieder militärisch durchgesetzt werden sollen. Ein humanitäres Einsätzchen hier, ein bißchen Foltern üben da (Somalia), dann ein paar "friedensstiftende" Tornado-Bomben. Und nun ist endlich die seit längerem bestellte Anforderung der NATO gekommen: Die Bundeswehr soll ein paar tausend Mann nach Bosnien zum Friedenerzwingen schicken.

Man muss sich allerdings fragen, ob soviel Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung überhaupt nötig ist. Der Zustand der parlamentarischen Opposition spricht jedenfalls nicht dafür. Die SPD gibt bekannt, dass sie mit der Regierung den Konsens sucht, noch bevor diese Überhaupt gesagt hat, was sie will, und Jürgen Trittin und Ludger Vollmer lehnen für die Grünen den Einsatz zwar ab, können aber kaum noch garantieren, dass sie damit für die ganze Fraktion sprechen. Schon dem Tornado-Einsatz hatten vier Abgeordnete der Grünen zugestimmt und seitdem hat Joschka Fischer einiges unternommen, seine Partei interventions- und damit regierungsfähig zu trimmen.

Dass die von Fischer losgetretene Gespensterdiskussion, in der es viel um Menschenrechte geht, die wir in anderen Ländern schützen oder gar durchsetzen müssen, kein alleiniger Spleen Bonner Promis ist, demonstrierte unlängst der Kieler Kreisverband der ehemals pazifistischen Partei.

Auf einer mäßig besuchten Diskussionsveranstaltung in der Pumpe stellten Hartmuth Kluth vom Kreis- und Klaus Müller vom Landesvorstand ihre Thesen zur grünen Balkanpolitik dar. Einig waren sich beide darin, dass die Grünen eine realpolitische Außenpolitik brauchen und dass wir uns natürlich überall einmischen müssen, um Menschenrechte durchzusetzen. (Schließlich kennen wir uns mit denen ja bestens aus, siehe Rostock, Hoyerswerda, Glasmoor ...)

Uneinig waren sich die beiden nur, was die Haltung zu einer militärischen Intervention anging. Während Müller zwar keine prinzipiellen Einwände hatte, wohl aber meinte, dass es auch noch geeignete nicht-militärische Mittel zur Einmischung gebe, war Hartmuth Kluth kaum zu halten. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man die Befreiung der Krajina nicht Tudjman überlassen sollen, sondern durch eine internationale Truppe selbst erledigen müssen (Tusch!)

Und die PDS? Bisher stimmt ihre Bundestagsfraktion noch geschlossen gegen alle Interventionsvorhaben der Bundesregierung. Doch auch dort beginnen die ersten von einer internationalen Friedensstreitmacht und eines Gewaltmonopols der UNO zu phantasieren (ND, 27.10.). So ähnlich hatte es bei der SPD und den Grünen auch begonnen. Bleibt zu hoffen, dass zumindest bei der PDS diese Entwicklung noch aufzuhalten ist. (wop)