Betrieb & Gewerkschaft

Beseitigung des Gerüstes Ladenschluß bringt noch andere Gebäude zum Einsturz

Am 11.10. hat die PDS-Arbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft in Kiel mit sechs Teilnehmenden über den Ladenschluss geredet. Grundlagen waren: die nebenstehende Aufstellung der Ausnahmen, ein Dossier der PDS-Bundestagsgruppe ("Streit um Ladenschlusszeit", Dossier 3-95, Bundeshaus, 53113 Bonn) sowie ein schriftlicher Diskussionsbeitrag mit Überlegungen "warum eigentlich nicht länger einkaufen".

Für Interessierte außerdem zu empfehlen ist eine Broschüre der hbv:"arbeiten und leben im Einzelhandel  Deregulierung und Ladenschluß"

Es zeigt sich immer wieder, dass bei diesem Thema Politik mit Unwissenheit gemacht wird. Da die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel, über die jetzt schon möglichen Ausnahmen sowie auch über die absehbaren Entwicklungen in der Einzelhandelsstruktur. So auch bei den Berichten über das Ifo-Gutachten, dass bei genauem Hinsehen (wie im PDS-Dossier geschehen) selbst die Argumente ge¬gen eine Liberalisierung liefert. Jeder Diskussionspunkt mündete eigentlich in die Frage: Was verändert sich, wenn es keine Ladenschlußzeiten mehr gibt bzw. wenn Öffnungszeiten bis in die Nacht, an Samstagen und Sonntagen möglich sind? Denn die Debatte in der Presse zeigt immer wieder, dass dort das Ziel liegt:

An allen Ecken werden "Normalarbeitszeiten" angeknabbert. Da ist die Debatte um den Samstag als Regelarbeitszeit (ohne Überstundenzuschläge). Da sind immer mehr Anträge nach dem neuen Arbeitszeitgesetz, Schichtbetrieb an sieben Tagen in der Woche ein¬zuführen,  z.B. auch bei Neckermann im Handel. Da sind "Arbeitszeitkorridore" in der Diskussion ,bei guter Auftragslage über 40 Stunden, sonst weniger. Das Ladenschlußgesetz bildet doch immer noch ein Gerüst, welches den allgemeinen Arbeitstag eingrenzt.

Aber ...

was ist, wenn es keine festen "Ruhezeiten" mehr gibt wie Nacht oder Wochenende, ständig ist irgendwie Lärm (Autos, Betriebsgeräusche, Bewegung in den Wohnhäusern).

was ist, wenn in Familien / Lebensgemeinschaften / Freundeskreis / Sportvereinen mehrere Personen schichtarbeiten?

Es wäre doch unrealistisch anzunehmen, eine Familie hätte gemein¬sam Schicht. Schon jetzt ist es oft ein Kraftakt gemeinsam Urlaub zu bekommen. Rund 80% der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen wieder mal die "doppelt belasteten".

wann werden wo die Kinder untergebracht, sollen sie jetzt auch noch nachts bewegt werden? Wird nicht jetzt schon viel über unruhige nervöse Kinder und aggressive Jugend geklagt?

Können sich Alleinerziehende die Arbeitszeiten aussuchen?

 was ist mit dem Nahverkehr und anderen Dienstleistungen, es wird der Ruf kommen, dass Angebot zu erweitern ( wie beim langen Donnerstag). Auf einmal sind dann mehr als nur die drei Mill. Beschäftigten des Einzelhandels betroffen.

was ist mit dem Einzelhandel auf Dörfern, in den Stadtteilen oder Innenstädten?

Was mit dem "beratungsintensiven" Fachhandel? Das Ifo-Gutachten sagt, dass ausschließlich Fachmärkte auf der "grünen Wiese" wie Baumärkte und Einkaufszentren profitieren, innerstädtische Kaufhäuser schneiden deutlich geringer gut ab, Fachgeschäfte seien die Verlierer (Dossier S.4).

Wenn es den Laden um die Ecke nicht mehr gibt, Beratung nicht mehr stattfindet, weil die Geschäfte nicht mehr konkurrieren können mit den Preisen der "Großen", die ohne Service und mit einer riesen "Nachfragemacht" die Preise drücken, dann ist es zu spät zu klagen.

- wenn überhaupt Arbeitsplätze entstehen sollten, wie sehen sie dann aus? Schon jetzt stellen Textilanbieter wie sie in den Einkaufsstraßen aufgereiht sind oft ungelernte Menschen ein

Tarifgehalt im 1. Jahr: 1 753 DM, im 4. Jahr 2 052 DM brutto (sofern es denn ein Vollzeitjob ist). Qualifizierte Arbeitsplätze werden weiter schwinden, weil die billigen Anbieter billige Arbeitskräfte brauchen.

Beachten sollte man auch, dass zur Zeit in Kaufhäusern und Handelskonzernen massiv Personal reduziert wird.

Ifo dazu: "Etwa drei Viertel des zusätzlichen Personalbedarfs dürfte durch Teilzeitkräfte, insbesondere geringfügig Beschäftigte abgedeckt werden." (Dossier S.6)

Ein Abbau der Arbeitslosen / Sozialhilfeempfänger ist so nicht möglich, da der Lohn nicht zum Lebensunterhalt reicht.

All diese Fragen werden sicher bei den Umfragen nicht berücksichtigt .

- nur mit der Vorstellung mal "in Ruhe" einkaufen zu können, kommt bei vielen allzuleicht die Antwort: ich bin für längere Öffnungszeiten.
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All die Fragen werden in der AG weiterbehandelt und sollen in einer Erklärung enden. Auf jeden Fall werden noch Aktivitäten nötig werden, um den Angriff der Regierung und der großen Konzerne abzuwehren.

AG Betrieb und Gewerkschaft - brg