Betrieb & Gewerkschaft

Mitbestimmung mit einem Federstrich beseitigt

Ein Lehrstück im öffentlichen Dienst

Das 1990 von der SPD-Regierung verabschiedete Mitbestimmungsgesetz für Schleswig-Holstein wurde von der Sozialdemokratie selbst als „revolutionär“ eingestuft, weil es den Personalräten, die insgesamt 100.000 Beschäftigte bei öffentlichen Arbeitgebern vertreten, eine Allzuständigkeit in innerdienstlichen – also personellen, sozialen oder organisatorischen – Fragen zubilligte. Diese sozialdemokratische Einschätzung war – gelinde gesagt – weit übertrieben: Es bedeutete selbstverständlich nicht, daß ohne die Personalräte nichts mehr ging. Die Beteiligungsrechte waren auch hier unterschiedlich stark ausgeprägt, aber die betrieblichen Interessenvertreter hatten immerhin das Recht, sich zu allen Fragen, bei denen sie es selbst für notwendig hielten, Informationen vom Arbeitgeber einzuholen und sich argumentativ mit diesem auseinanderzusetzen. Diese Rechte der Personalräte gingen damit also insofern über die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes für Privatbetriebe hinaus, als Komplexe, die dort dem alleingen Direktionsrecht und damit den Geschäftsgeheimnissen der Arbeitgeber unterliegen und Konsequenzen für die Beschäftigten haben, vor den Arbeitnehmervertretungen legal nicht mehr ausgegrenzt werden konnten. Soweit der Personalrat es für erforderlich hielt, sich mit ihnen zu befassen, hatte sich der Dienstherr mit ihm diesbezüglich auseinanderzusetzen. Wurde jedoch im Teilbereich der wirklich zustimmungspflichtigen Fragen kein Konsens zwischen Dienstherren und Personalräten erzielt, konnte binnen 10 Arbeitstagen eine „unabhängige“ Einigungsstelle angerufen werden, die dann für beide Seiten verbindlich entschied.

Wir leben in einer Zeit der Deregulierung. Und eine betriebsverfassungsrechtliche Regelung besteht natürlich nicht im interessens- und politikfreien Raum. Der Staat führt gegenwärtig umfangreiche Maßnahmen im Bereich der Verwaltungsstrukturreform durch, die die Privatisierung von Profiten bisher öffentlicher Aufgaben und die Sozialisierung öffentlicher Schulden bzw. unprofitabler Sektoren zum Ziel hat. Grundlegende organisatorische und rechtliche Konsequenzen, Personalabbau sowie arbeits- und tarifrechtliche Maßnahmen, die darauf abzielen, die Lage der Beschäftigten zu verschlechtern, sind in Vorbereitung. Hier soll mit „freier Hand“ und möglichst geringem Einfluß von Arbeitnehmervertretungen agiert werden. Der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war daher das Mitbestimmungsgesetz in Schleswig-Holstein seit jeher ein „Dorn im Auge“. Sie strengte eine entsprechende Normenkontrollklage an, der das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 11.10. nunmehr stattgab.

Der formale Begründungszusammenhang des Urteils stellt sich so dar: In den Gebietskörperschaften dieser Republik entscheiden die zuständigen Parlamente. Diese sind vom Volk gewählt und damit demokratisch legitimiert. Die Parlamente schaffen dann entsprechende Strukturen für den sie betreffenden Teil des Staatsapparates. Dazu gehören insbesondere organisatorische Entscheidungen, die in der Dienstherreneigenschaft umzusetzen sind und daher im Bereich des Direktionsrechtes verbleiben müßten. Damit ist dann aber das „Allzuständigkeitsrecht“ der Personalräte im Wege. Gleichfalls die Existenz einer „unabhängigen“ Einigungsstelle, die verbindliche Entscheidungen gegen den Willen der jeweiligen öffentlichen Arbeitgeber treffen kann oder geplante Maßnahmen u.U. entschärft. Die angestrebte Beschneidung der betrieblichen Interessenvertretung wird vom Verfassungsgericht dadurch „demokratisch“ verbrämt, daß die bisher bestehenden Regelungen als „Verstoß gegen die Volkssouveränität und das Demokratieprinzip“ diskreditiert werden. „Die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers müsse gesichert bleiben“, die Einigungsstellen dagegen sind nicht vom Volk, sondern eben nur von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern legitimiert. Die Richter in Karlsruhe ordneten daher an, daß das Mitbestimmungsgesetz bis zu Neuregelung zunächst zwar weiter anzuwenden sei; dies jedoch mit der Maßgabe, daß die Einigungsstelle nur mehr Empfehlungen ohne jede Bindungswirkung aussprechen darf. Damit haben die Arbeitgeber wieder das letzte Wort, wenn auch bei ressortübergreifenden Grundsatzfragen die (theoretische) Möglichkeit (!) eingeräumt wurde, Vereinbarungen mit den Gewerkschaften zu treffen.

Die Deregulierung und der Abbau von Arbeitnehmerrechten wird also durch den Staat rigoros vorangetrieben. Die SPD ordnet das Urteil zwar als „Niederlage der Beschäftigten“ ein, der DGB warf der CDU vor, „mit ihrer Verfassungsbeschwerde den Rechten der Arbeitnehmer einen Tiefschlag versetzt“ zu haben, und die DAG reagierte „mit Bestürzung“; – es liegen aber keine Stellungnahmen vor, die darauf schließen lassen, das man diese Entscheidung des obersten deutschen Gerichts nicht respektieren wird. Im Gegenteil, die ÖTV arrangiert sich bereits mit der neuen Sachlage, indem anwiegelnd konstatiert wurde, daß „die CDU mit ihren arbeitnehmerfeindlichen Begründungen beim Bundesverfassungsgericht nicht durchgedrungen“ sei. Widerstand aus dieser Richtung ist ohne massiven Druck der Gewerkschaftsbasis also kaum zu erwarten. (aus: Rundbrief Nr. 14 der PDS S.-H., redaktionell gekürzt)