Keine Abschiebungen! Keine Knäste – nirgendwo!

Im Rahmen und als ein Höhepunkt der Aktions- wie Informationswochen gegen die Abschiebepolitik der BRD, veranstaltet durch Antirassistische Initiativen in Hamburg/Norderstedt, fand in Norderstedt-Glasmoor am Sonnabend, dem 11.11.95 eine Demonstration gegen Abschiebehaft und Abschiebeknäste statt. Trauriger aktueller Anlaß hierzu war der vom 1. bis zum 11.10. andauernde Hungerstreik etlicher von Abschiebung bedrohter Flüchtlinge in dem Abschiebegefängnis Glasmoor (siehe dazu auch grenzenlos Nr. 37, 10/95).

Der Beginn dieser Demonstration mit der Auftaktkundgebung am Schmuggelstieg (Hamburg-Ochsenzoll, Nähe U-Bahnhof) gestaltete sich etwas verhalten. Das lag zum einen an dem grüppchenweisen Eintreffen der TeilnehmerInnen, vor allem aber an der einstündigen Verspätung des Lautsprecherwagens infolge organisatorischer Probleme (die Demoleitung konnte nicht umhin die TeilnehmerInnen zu informieren, eine bestimmte Fahrzeugvermietungsfirma bei der Organisation zukünftiger Demos nicht mehr zu berücksichtigen).

In den Redebeiträgen der Auftaktkundgebung wurde u.a. die Funktion von Abschiebeknästen in der BRD-Politik gegenüber Flüchtlingen deutlich gemacht: Sie seien das letzte Glied der Kette, die mit der Hochtechnologie-„Sicherung“ (z.B. Infrarot-Suchsysteme) der Grenze zur Verfolgung von Flüchtlingen beginne, einer rassistisch motivierten und menschenverachtenden Politik der BRD, mit dem „Endziel“ einer Festung Europa. Der Rassimus offenbare sich schon in den ideologischen Begründungsmustern. Der hierbei oft angeführte sogenannte „Ethnopluralismus“, also die Betonung von „Unterschieden“ in den Wesensarten und kulturellen Identitäten bei scheinbarer Anerkennung der Existenz von Vielfalt, und die gleichzeitige Beschwörung der sogenannten „Schicksalsgemeinschaft“ der Nation seien im Grunde nur die modernisierten Fassungen des ursprünglich biologistischen Rassismus mit seinen auf körperlichen Merkmalen beruhenden Wertigkeitsklassifizierungen von Menschen. Eine Politik für die Flüchtlinge müsse somit nicht nur deren reale bedrohliche Lebenssituation, sondern auch den dafür verantwortlichen Rassismus und seine Protagonisten (in Personen und Herrschaftsstrukturen) bekämpfen.

Im Anschluß an diese Auftaktkundgebung zog die mittlerweile auf etwa 700 TeilnehmerInnen (laut Demoleitung) angewachsene Demonstration Richtung Abschiebeknast Glasmoor. Die Stimmung war gut, woran sicherlich die groovende Reggaemusik aus dem Lautsprecherwagen einen erheblichen Anteil hatte. Ab und an gab es auch prägnante Parolen zum Demonstrationsthema. Nebenbei wurde von einigen Menschen „BürgerInneninformation“ geleistet in Form von Flugis, Plakatierungen, etc. (mittels Sprühd.). Diese „Öffentlichkeitsarbeit“ nahm die Obrigkeit, sprich die Polizei, als angebliche Begehung von Staftaten zum Anlaß ein Spalier aufzuziehen. Offensichtlich hatten sie dafür wohl nicht genug Kräfte einkalkuliert, so daß es bei einem lockeren Spalier blieb. Als Ausgleich dazu ergänzte die Polizei ihr „Heimkinoarchiv“, indem sie ausgiebigst die Demonstration abfilmte. Diese ließ sich jedoch von solcherlei Vorkommnissen nicht provozieren und zog geschlossen weiter.

Am Abschiebeknast in Glasmoor, welcher von starken Polizeikräften massiv „gesichert“ war, wurden weitere Redebeiträge in verschiedenen Sprachen (englisch, deutsch, kurdisch, türkisch und russisch) gehalten. In ihnen wurde die Isolation, Kontrolle und Repression benannt, der die Flüchtlinge dort ausgesetzt sind. So werden die Außenkontakte, so sie überhaupt trotz massiver Behinderung seitens der Anstaltsleitung zustande kommen, kontrolliert, und bei unerwünschten Kontakten werden die Flüchtlinge mit Sanktionsmaßnahmen belegt. Bei weitergehendem Widerstand wie dem Hungerstreik werden die als „renitent“ abklassifizierten Flüchtlinge ggf. in den Knast „Holstenglacis“/Dammtor (Hamburg) gebracht, in dem äußerst schlechte Zustände herrschen. Wie schon erwähnt wird UnterstützerInnen der Zugang zu den Flüchtlingen erheblich erschwert, z.T. sogar verboten. Äußere Maßnahmen wie starke „Präsenz“ der Polizei bei den Sonntagsspaziergängen der UnterstützerInnengruppen sowie der neu gezogene zweite hohe Stahlzaun mit NATO-Stacheldraht runden das Bild der Repression zur Einschüchterung der Flüchtlinge wie deren UnterstützerInnen ab (vgl. auch Lokalberichte Nr.17-18, Sept. 95 und grenzenlos Nr. 37). Aber die Redebeiträge drückten nicht nur die bedrohliche Situation aus, sondern vermittelten auch ein Stück Hoffnung über diverse Gruß- und Solidaritätsadressen an die Flüchtlinge. Einige Flüchtlinge konnten die Reden aus den offenen Fenstern ihrer Baracke hören und ihre Haltung bekunden, indem sie klatschten, johlten oder winkten, je nach dem welchen Teil der Rede sie mitbekamen (Grüße, politische Forderungen).

Nach Abschluß der Kundgebung vor dem Abschiebeknast zog die Demonstration geschlossen wieder ab, trotz kleinerer Zwischenfälle an deren Ende einige lädierte VW-Busse der Polizei zurückblieben. Abgesehen vom Aufmarsch der Abgreiftrupps der Bereitschaftspolizei und weiteren Filmaufnahmen, wurden von der Polizei keine weiteren Maßnahmen ergriffen, die zu einer Eskalation geführt hätten. Die Demonstration blieb zwar unter provokanter Polizeibegleitung, konnte aber am U-Bahnhof Kitzmoor geschlossen aufgelöst werden.

Es bleibt noch zu erwähnen, daß die Sonntagsspaziergänge auch weiterhin stattfinden. Nähere Informationen über das Antirassistische Telefon (Hamburg): 040/431587. Außerdem sei noch auf eine Demonstration in Kassel zum selben Thema am 25.11.96 hingewiesen, aus Anlaß des Jahrestages des Aufstandes von Flüchtlingen im dortigen Abschiebeknast, welcher brutal von der GSG-9 niedergeschlagen wurde. (tg)