Presseerklärung zu den Verhafteten vom 13.6.:

Verteidigung faktisch unmöglich

Am 13. November 1995 befinden sich unsere Mandanten Andreas Ehresmann, Werner Konnerth, Ralf Milbrandt und Rainer Paddenberg seit fünf Monaten in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, sich an der Herausgabe der seit 1976 erscheinenden Zeitschrift „radikal“ beteiligt zu haben, was nicht nur als Billigung von bzw. Aufforderung und Anleitung zu Straftaten, Werbung für terroristische Vereinigungen sowie Umsatzsteuerhinterziehung gewertet wird, sondern auch als Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 StGB: dies stellt gegenüber bisherigen Verfahren eine zusätzliche Kriminalisierung der Zeitschrift „radikal“ dar.

Seit Beginn des Verfahrens wird jede Verteidigung faktisch unmöglich gemacht, da der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof uns nach wie vor mit fadenscheinigen Begründungen weitestgehend Akteneinsicht verweigert.

Wesentliche Grundlage des Ermittlungsverfahrens sind die Aufzeichnungen eines mit Mikrosendern belauschten Treffens im September 1993. Die Ergebnisse dieses – nach geltendem Strafprozeßrecht unzulässigen – Lauschangriffs sollen nach den Vorstellungen des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof als „Zufallsfunde präventiv-polizeilicher Maßnahmen“ Eingang in das Strafverfahren finden. Wir halten diesen Versuch zur Umgehung geltenden Strafprozeßrechts für verfassungswidrig.

Unabhängig von dieser und weiteren Rechtsfragen erscheint uns der Vollzug der Untersuchungshaft völlig unverhältnismäßig. Offensichtlich hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs jeden Maßstab verloren, wenn er wegen des Vorwurfs der Herausgabe einer Zeitschrift extreme Haftbedingungen anordnet, beispielsweise die völlige Isolation unserer Mandanten in den Haftanstalten und die Durchführung der alle zwei Wochen gestatteten Besuche nur hinter einer Trennscheibe.

Wir werden weiterhin mit allen rechtlichen Möglichkeiten um eine Aufhebung der Haftbefehle bemüht sein und erwarten das Ergebnis der nächsten mündlichen Haftprüfung am 13. November 1995. (Rechtsanwälte Ursula Erhardt, Gabriele Heinecke, Thomas Klein, Christoph Kliesing, Berlin, Hamburg und Osnabrück am 9.11.1995)