Schleswig-Holstein kündigt Bundesratsinitiative zur Staatsangehörigkeitsreform an:

„Die Bundesrepublik ist faktisch ein Einwanderungsland“

Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit soll nach dem Willen des schleswig-holsteinischen Innenministers Ekkehard Wienholtz künftig wesentlich erleichtert werden. Mit einer Bundesratsinitiative will Wienholtz erreichen, daß die Bundesregierung endlich ihre Zusagen zu einer Staatsangehörigkeitsnovelle einlöst. Für die Bundesratssitzung am 24. November kündigte der Innenminister einen gemeinsamen Entschließungsantrag der Länder Schleswig-Holstein (federführend), Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Saarland an. Brandenburg will sich ebenfalls anschließen. Der Antrag enthalte die Eckpunkte für ein neues, zeitgemäßes und auf Integration ausgerichtetes Staatsangehörigkeitsrecht. „Nur eine auf Eingliederung statt Ausgrenzung ausgerichtete Politik ist die angemessene Antwort auf die neuen Herausforderungen, vor denen Deutschland in einem Europa offener Grenzen steht“, sagte Wienholtz am 30. Oktober in Kiel. Deshalb werde die schleswig-holsteinische Landesregierung ihren Weg einer Integration von dauerhaft in der Bundesrepublik lebenden Ausländerinnen und Ausländern beharrlich fortsetzten.

Im wesentlichen enthält der Entschließungsantrag die folgenden vier Forderungen:

1. Ausländerinnen und Ausländer, die schon längere Zeit in Deutschland leben, sollen leichter eingebürgert werden können. Danach erhält einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung, wer als Ausländer mindestens acht Jahre regelmäßig in der Bundesrepublik Deutschland lebt, eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, seinen Unterhalt selbst finanziert und nicht wegen einer Strafsache verurteilt wurde. Diese Voraussetzungen erfüllen nach einer Statistik von 1993 rund 65.000 Ausländer.

2. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt: Das traditionelle Abstammungsprinzip im Staatsangehörigkeitsrecht soll um das Territorialprinzip ergänzt werden. Das heißt konkret: Kinder von Ausländern erhalten durch Geburt in Deutschland automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn entweder die Mutter oder der Vater bereits in Deutschland geboren wurden. Deutscher kraft Geburt wird auch das Kind, das durch Geburt gleichzeitig die Staatsangehörigkeit eines ausländischen Elternteils erwirbt. In diesem Fall haben die Eltern jedoch das Recht, innerhalb eines Jahres nach der Geburt den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes rückwirkend auszuschlagen.

3. Doppelte Staatsbürgerschaft: Ausländer, die auf Grund eines Rechtsanspruchs eingebürgert werden, können ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit behalten.

4. Deutsche Staatsangehörigkeit für Spätaussiedlier ohne individuelles Einbürgerungsverfahren, sondern durch Gesetz: Vertriebene und Spätaussiedler sollen bereits mit der Aufnahme in der Bundesrepublik auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird zeitgleich mit der Bundesratsinitiative einen entsprechenden Antrag im Bundestag einreichen. Für die bevorstehende Landtagssitzung in Schleswig-Holstein hat ebenfalls die SPD-Fraktion im Landtag eine entsprechende Resolution vorbereitet. Darin heißt es: „Die Bundesrepublik Deutschland ist spätestens seit Ende der 70er Jahre ein Einwanderungsland. Im März vergangenen Jahres waren 9,4% der Erwerbstätigen in Deutschland ausländische Abeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen wachsenden Anteil des Bruttosozialprodukts erwirtschaften. Nach heutiger Schätzung wird der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung im Jahre 2000 bei 9 bis 11% liegen. Angesichts dieser Tatsachen ist der Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert.“

Neben den in der Bundesratsinitiative enthaltenen Punkten fordert die SPD-Fraktion die Landesregierung zusätzlich auf, eine Initiative zur Reform des Ausländerrechts einzuleiten mit dem Ziel, die Rechte der ausländischen Bevölkerung zu stärken, sowie eine Initiative zur Verbesserung der gesetzlichen Regelungen für Flüchtlinge, die u.a. die Anerkennung eines Bleiberechts von Folteropfern und vergewaltigten ausländischen Frauen vorsehen soll. (bam)