Einstieg in den Abschied?

Landesdelegiertenversammlung der GEW in Rendsburg.

Im Zeichen innerer Konfliktvermeidung stand die 34. Landesdelegiertenversammlung der GEW, die vom 22. bis zum 24. November in Rendsburg stattfand. Obwohl das Versprechen, offensiv kämpfen zu wollen, auch Motto der Veranstaltung war, herrschte über weite Strecken der gegenteilige Eindruck. Resigniert wurde allenthalben eingestanden, daß angesichts der hoffnungslosen Finanzlage der öffentlichen Hand kostenwirksame Reformprojekte auch mittelfristig nicht in Sicht sind. Dementsprechend waren die Debatten über mehrere Anträge zum Thema Arbeitszeitregelung kontrovers. Waren besonders die Fachgruppen Gymnasien und Hochschulen eher geneigt, Teilzeitmodellen zur Arbeitsplatzschaffung eine Chance zu geben, an Hochschulen ohnehin für den Nachwuchs die Regel, so wandte sich die Fachgruppe „Sozialpädagogische Berufe“ gegen jede Form von Zwangsteilzeit. Der Grund dafür liegt vor allem darin, daß die in diesen Zweigen Arbeitenden auch bei voller Arbeitszeit eher zu den „Leichtlohngruppen“ gehören.

Den Beginn der Tagung bildete ein Streitgespräch zwischen der Ministerpräsidentin Heide Simonis und dem GEW-Bundesvorsitzenden Dieter Wunder, das sich vor allem um die Reform des öffentlichen Dienstrechts bewegte. Waren ursprünglich SPD-Regierung und GEW dafür eingetreten, keine beamteten Lehrer mehr einzustellen, war Wunder jetzt wesentlich vorsichtiger. Er vertrat die Position, die auch später von der LDV beschlossen wurde, nämlich die Beamtenfrage durch die Entwicklung eines einheitlichen öffentlichen Dienstrechts zu lösen, in dem die jetzigen Angestellten und die Beamten unter Nutzung der Vorteile (Vorteile für wen?) gleichgestellt würden. Das wäre dann das Ende sowohl für die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ (GG) als auch für den von den Gewerkschaften als unzeitgemäß kritisierten BAT. Dominierend in dieser Debatte dürfte vor allem die Kostenfrage sein: Bürdet man die Altersversorgung in Form von Pensionen allein der zukünftigen Generation der Steuerzahler auf, oder belastet man lieber jetzt den Landeshaushalt mit Arbeitgeberanteilen für BfA, Krankenkassen und Arbeitsamt, um später den Pensionsetat nicht explodieren zu lassen?

Grundsätzliche Differenzen unter den Delegierten ergaben sich sonst nur noch bei mehreren Änderungsanträgen, das momentan gültige Strategiepapier für den Landesvorstand betreffend. Die Fachgruppen Gymnasien und Realschulen hatten bei den letzten Personalratswahlen im Frühjahr teilweise starke Einbrüche erlitten. Den Grund dafür sahen sie vor allem darin, daß sich die Kolleginnen und Kollegen der genannten Schulzweige von einer GEW nicht vertreten fühlten, die für die flächendeckende Einführung der Gesamtschule eintritt. Im Interesse der Mitgliederentwicklung sei es daher geboten, von der Förderung der Gesamtschulen als Konkurrenz zum dreigegliederten Schulsystem abzurücken und (zumindest „scheinbar taktisch vorübergehend in der Defensive“) eher auf ein Modell zu setzen, in dem alle Schultypen weiterentwickelt werden und sich so aufeinander zuentwickeln. Kooperation hieß das Zauberwort, dem sich allein eine kleine Minderheit aus den Fachgruppen Gesamtschule und Hochschulen nicht ohne weiteres anzuschließen bereit war. Nach Meinung dieser Delegierten bedeutete die angestrebte Neuformulierung den Einstieg in den Abschied von der Vision der Gesamtschule als einer neuen „Volksschule“, die durch individuelle Förderung  und Differenzierung allen Kindern eine optimale Ausbildung bieten will. Kennzeichnend für die Mutlosigkeit der Versammlung war, daß von beiden Seiten eine sachliche Diskussion über die Gesamtschule vermieden wurde. Dies wurde auf künftige Zeiten und andere Gremien verschoben. (id)