Über 30.000 Wohnungsnotfälle in Schleswig-Holstein

Bericht der Landesregierung läßt effektive Lösungsansätze vermissen

Wenig Hoffnung für Obdachlose läßt der Bericht über die Wohnungsnotfallproblematik in Schleswig-Holstein aufkommen, den die Landesregierung in Kiel während der vergangenen Landtagssitzung nach einer drei Jahre dauernden Untersuchung der „Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung“ (GISS) endlich vorstellte. Die Wohnungsnot sei mittlerweile ein landesweites und keineswegs nur größere Städte betreffendes Problem, wird darin festgestellt. Das Risiko, aus dem normalen Wohnungsmarkt herauszufallen, sei größer geworden, die bisherigen Hilfsstrukturen für Wohnungslose hätten sich als nicht ausreichend effizient erwiesen. Dies führe im Ergebnis dazu, daß einerseits immer mehr Menschen aus dem normalen Wohnungsmarkt ausgegliedert und damit wohnungslos werden und andererseits diejenigen Haushalte, die bereits wohnungslos sind, aufgrund der aktuellen Bedingungen am Wohnungsmarkt kaum reale Chancen bei der Versorgung mit Normalwohnraum haben. Als Hauptgründe für den Mißstand nennt die GISS-Studie den Mangel an freien preiswerten Wohnungen und die sozialen Barrieren, mit denen Wohnungslose bei der Wohnungsvergabe konfrontiert sind. Zu  Beginn der Studie im Dezember 1992 zählte das Forschungsinstitut rund 18.700 Menschen ohne eine eigene Wohnung in Schleswig-Holstein, wobei man von einer hohen Dunkelziffer ausging. Weitere 13.200 Personen waren von einer Räumungsklage bedroht. Ein Drittel aller Wohnungslosen waren Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren.

Angesichts dieser Fakten wirken die Vorschläge der Landesregierung zur Lösung der Wohnungsnotfallproblematik eher hilflos. Eine „integrierte Fachstelle“ zur Behebung der Wohnungslosigkeit unter Einbeziehung der freien Träger der Wohlfahrtspflege soll künftig dafür da sein, Fälle von Wohnungslosigkeit präventiv zu verhindern, Obdachlosen Wohnraum zu beschaffen sowie Personen in unzumutbaren Wohnverhältnissen Wohnungen zu vermitteln.

Voraussetzung für die Einrichtung solcher Fachstellen sei allerding u.a. „Die politische Anerkennung der Tragweite des Problems der Wohnungsnot“ sowie  „eine hohe Priorität der Vermeidung von Wohnungslosigkeit in der Kommunalpolitik“.

Außerdem werde der Aufbau einer landesweiten Wohungsnotfallstatistik für geboten gehalten. Zur Versorgung Obdachloser mit Wohnraum sollen folgende Maßnahmen eingeleitet werden:

1. Auf kommunaler Ebene können Vermieter freiwillig Verträge mit der Stadt/Gemeinde abschließen, nach denen eine gewisse Zahl der verfügbaren Wohnungen für Wohnungsnotfälle vorgesehen sind.

2. Gemeinschaftsunterkünfte für Wohnungslose sollten durch Sanierungen und Umwandlungsmaßnahmen in Normalwohnraum umgewandelt werden.

3. Die Landesregierung stellt im Landeswohnungsbauprogramm 1995/96 pro Jahr ein Sonderkontingent von 215 Wohneinheiten speziell für die Versorgung von Wohnungsnotfällen bereit. Damit werden für diesen Zweck in diesem und im nächsten Jahr jeweils rund 20 Mio. DM aus dem Landeswohnungsbauprogramm eingesetzt.

Zur Vermeidung von Ghettoisierung sei eine Kombination der Wohnungen für Wohnungsnotfälle mit Sozial- oder Genossenschaftswohnungen  wünschenswert. (Ein frommer, eher lächerlicher Wunsch, denn bereits jetzt sind Sozialwohnungen so gehäuft auf bestimmte Stadtteile – z.B. in Kiel – verteilt, daß schon längst eine moderne Ghettoisierung von „Außenseitern“ der Yuppie-Gesellschaft – Ausländer, Behinderte, Alte, sozial Schwache – eingetreten ist - d.Verf.)

Zusätzlich zu den jährlich 215 Neubauwohnungen für Wohnungsnotfälle stellt das Sozialministerium spärliche 30.000 DM zur Versorgung Obdachloser mit einem Winternotprogramm zur Verfügung, das die Bereitstellung von Containern und anderen Übernachtungsmöglichkeiten in einigen Städten des Landes vorsieht.

„Einen entscheidenden Schritt, um die Wohnungsnot im Entstehen zu vermindern und der Obdachlosigkeit schneller zu begegnen“, (so die SPD-Abgeordnete Marliese Alfken) hat die Landesregierung mit ihrem Bericht zur Wohnungsnotfallproblematik nicht gerade getan. Schon vor Monaten wies der Kieler Mieterbund auf das Defizit von 60.000 Mietwohnungen in Schleswig-Holstein hin, von der Landesregierung als „übertrieben“ abgetan. Immerhin, die Sozialdemokraten im nördlichsten Bundesland haben das Problem Wohnungsnot zur Kenntnis genommen.

(bam)