Zitate
 

„Die Hauptmisere der DDR war das Verschwinden der Erotik aus der Politik. Das ist wieder sehr deutsch, denn auch in der BRD kommt Erotik in der Politik nur als Korruption vor.“

„Die Utopie der kapitalistischen Staaten Westeuropas ist die Technik. Auch die der Arbeiter. Technische und politische Geschichte entwickeln sich auseinander. Das war ein Punkt, den Marx nicht sehen konnte: Die Technik nimmt den Platz der Politik ein, und sie liquidiert die Politik. Napoleons Devise „Die Politik ist das Schicksal“ hat nur für das 19. Jahrhundert Gültigkeit. Jetzt ist die Technik das Schicksal.“

„Aber ohne Gefahr gibt es keine Entwicklung. Die Katastrophe muß riskiert werden, sonst geht gar nichts mehr. (...) Das ist der Raum der Verantwortungslosigkeit als eigentlicher Raum der Freiheit – ein gefährlicher und libidinös besetzter Raum. Die Angst vor den Katastrophen ist die Angst vorm Spielen, die Angst vorm Risiko. Aber diese Angst schafft erst die Katastrophen, die routinierte Kontinuität schafft die Zerstörung. Das Festhalten am Bewährten, das war das Problem der SED-Führung, führt zum Untergang. Neues ausprobieren, also experimentieren, heißt immer auch in Kauf nehmen, daß etwas schiefgehen kann.“

„Die gesamte Geschichte und Politik reduziert sich auf die Verdrängung der Sterblichkeit. Kunst aber stammt aus und wurzelt in der Kommunikation mit dem Tod und den Toten. Es geht darum, daß die Toten einen Platz bekommen. das ist eigentlich Kultur. In der kapitalistischen Welt gehen alle Energien dahin, die Toten auszuklammern, auszusondern. (...) Die westlichen Demokratien können sich nicht durch Tote legitimieren. Da gibt es keinen Tod – nur Gegenwart. Dem korrespondiert die Ausgrenzung des lebensuntüchtigen Lebens. Die Penner und Arbeitslosen, alle, die nicht funktionieren, gehören nicht zur Definition, definieren nichts. In Frankfurt bilden diese Toten den Müll. Gegenüber dem Hochhaus der Deutschen Bank, dem Wachturm des Kapitals, steht der schlimmste Puff von Frankfurt. Da krepieren jeden Monat etliche Frauen an Überdosis. (...) In einer Gesellschaft, in der die Toten oder die Ahnen keinen Platz haben, werden die sozial Schwachen, also die, die nicht funktionieren, zu Müll, denn sie stören den reibungslosen Kreislauf der ewigen Gegenwart.“

„Es ist der allgemeine Grundirrtum, daß der Kapitalismus den Individualismus fördert. Das Gegenteil ist der Fall. Der Kommunismus vereinzelt, der Kapitalismus uniformiert. Kommunismus ist die einzige Religion für Individualisten. (...) Individualität gibt es nur, wo der Mensch sich der Einsamkeit stellt. Solange der Mensch nicht seine Furcht vor seiner Einsamkeit überwindet, hat der Kommunismus keine Chance. (...) Die Angebote des Kapitalismus zielen auf Kollektive. Aber sie sind so formuliert, daß sie die Kollektive sprengen. Das Angebot dagegen des Kommunismus ist die absolute Einsamkeit. Der Kapitalismus bietet nie Einsamkeit, sondern immer nur Gemeinsamkeit an. Das kapitalistische Angebot baut geradezu auf der Angst vor der Einsamkeit auf. McDonald‘s ist das absolute Angebot von Kollektivität. Man sitzt überall auf der Welt in derselben Kneipe, frißt dieselbe Scheiße, und alle sind glücklich. (...) Die Scheinsolidarität bei McDonald‘s ist die Parodie auf das kommunistische Kollektiv. Kapitalismus ist sowieso nur eine Parodie auf den Kommunismus – eine Reaktion auf die Drohung des Kommunismus. In einer Parodie kann man natürlich viel lustiger leben. Ernst Jünger hat in der „Totalen Mobilmachung“ schon formuliert, daß es einen Grad von Unterdrückung gibt, der als Freiheit empfunden wird. Darauf basiert die Freiheit im Kapitalismus. Die Unterdrückung ist dermaßen komplex und umfassend, daß sie als Freiheit empfunden wird.“

„Nach Auschwitz hat das Gute geführt, nicht das Böse. Das Gute will selektieren, also Minderheiten produzieren. Die sind dann böse und müssen ausgerottet werden. Die Unterdrückung des Bösen führt nach Auschwitz. Das Gute produziert eine Struktur, die auf Ausgrenzung und Selektion basiert, daraus entsteht das massenhaft, das institutionell Böse. (...) Es gibt in den herrschenden Strukturen kein rationales Argument gegen Auschwitz. Wenn das nicht gefunden wird, geht diese Zivilisation unter. Das ist die Grundfrage, und die kann nur beantwortet werden durch die Mobilisierung der Ränder – nicht nur der sozialen, geographischen, sondern auch der intellektuellen Ränder. Wenn die Intellektuellen ins Zentrum drängen, verlieren sie die Kraft zur Veränderung. Sie müssen am Rand bleiben, am Rand arbeiten. Vom Zentrum aus kann man nichts mehr bewegen. Ins Zentrum gehören die Beamten. Die Intellektuellen müssen raus aus der Politik. Da verlieren sie ihre Kraft.“

„Wer mit sich identisch ist, der kann sich einsargen lassen, der existiert nicht mehr, ist nicht mehr in Bewegung. Identisch ist ein Denkmal. Was man braucht, ist Zukunft und nicht die Ewigkeit des Augenblicks. Man muß die Toten ausgraben, wieder und wieder, denn nur aus ihnen kann man Zukunft beziehen. Nekrophilie ist Liebe zur Zukunft. Man muß die Anwesenheit der Toten als Dialogpartner oder Dialogstörer akzeptieren – Zukunft entsteht allein aus dem Dialog mit den Toten. (...) Wer sich nicht erinnern kann, macht auch keine Erfahrung mehr. (...) Wenn ich weiß, wer ich bin, habe ich keinen Grund mehr, zu existieren, weiterzumachen, zu schreiben oder sonst etwas zu tun.“

„Es ging um das Ausprobieren von Technologie, um die Einführung der Technologie in die Alltagswelt, um die Technisierung des Lebens. Jeder Versuch zur totalen Beschleunigung erfährt in den Minderheiten den Hauptgegner. Denn die Minderheiten stellen immer etwas Autonomes dar, sie stehend er Beschleunigung im Weg. Minderheiten sind Bremsen. Daraus stammt der Drang, sie zu vernichten, denn sie beharren auf ihrer eigenen Geschwindigkeit. (...) Wenn man sich die historischen Katastrophen unseres Jahrhunderts anschaut, wird es doch plausibel, daß die Fetischisierung der Beschleunigung auf dem Wunsch beruht, sich schneller zum Tod befördern zu lassen.“

„Die Sieger sind in unserem Jahrhundert die Ruinierer. Man muß sich weigern zu siegen. (...) Das einzig Sinnvolle in diesem Jahrhundert ist das Scheitern.“

„In dem Abgrund, der auf den Sinnverlust folgt, hat die Kunst bis zur nächsten Sinn-Illusion Konjunktur.“

„Europa, dieser „Popel aus einer Konfirmandennase“, wie es bei Benn heißt, produziert mehr Müll, als es fassen kann. Das ist eine europäische Grundsituation. (...) Heute kann Europa, der Kopf der Welt, die eigene Scheiße nicht mehr fassen, verteilt seine Exkremente über den Erdball und verwandelt sich so in den Arsch der Welt.“