Bündnis für Arbeit – wie soll das funktionieren?

In der Sitzung der AG Betrieb und Gewerkschaft am 23. Januar hatten sich die fünf anwesenden Personen auch das Thema „Bündnis für Arbeit“ auf die Tagesordnung gesetzt, nachdem Organisatorisches zur Vorbereitung der Veranstaltung zum Ladenschlußgesetz beredet war.

Der ursprüngliche Vorschlag der IG-Metall lag in Stichpunkten vor. Danach sollten Leistungen erbracht werden von:

„Metallarbeitgebern ab 1996 für drei Jahre:

- Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen;
- Schaffung von 300.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen;
- zusätzliche Einstellung von 30.000 Langzeitarbeitslosen;
- Erhöhung der Ausbildungsplatzzahlen um jährlich 5%.

Bundesregierung:

- Verzicht auf Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe;
- Keine Verschlechterung der Kriterien für Sozialhilfebezug;
- Gewährleistung eines Ausbildungsplatzangebots entsprechend der Nachfrage;
- Ausbildungsplatzabgabe (Lastenausgleich).

IG-Metall:

- Orientierung des Tarifabschlusses 1997 an der Preissteigerungsrate;
- Akzeptanz von befristeten Einarbeitungsabschlägen bei der Einstellung von Langzeitarbeitslosen.“

Es wird davon ausgegangen, daß die „Produktivitätskomponente für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ausgegeben werden soll.“ Der durchschnittliche Produktivitätszuwachs habe in den letzten 10 Jahren bei knapp 3% gelegen. Bei ca. 3,8 Mio. Beschäftigten ergeben 3% 115.000 Arbeitsplätze pro Jahr.

Die Reaktion bei den Anwesenden im Arbeitskreis: Positiv ist ja, daß die IG-Metall in die Offensive gegangen ist, aber wer soll wie kontrollieren, ob Arbeitsplätze geschaffen werden. Nach den Erfahrungen in den Betrieben mit Personalabbau und Betriebsschließungen fehlt die Vorstellungskraft, woher das kommen soll. Die bestehenden Regelungen zur Übernahme von ausgelernten Azubis würden in Metall und ÖD gerade wieder abgeschafft.

Abbau von Überstunden könne z.B. auch nur über Betriebsräte geregelt und kontrolliert werden (und es besteht immer das Problem, daß oft der Überstunden-Lohn in die Haushaltsplanungen der Beschäftigten fest einbezogen ist – dieses Problem wird bei „Lohnverzicht“ noch verstärkt) Keiner der Anwesenden setzte Hoffnung in dieses Projekt (wobei die Ergebnisse des „Kanzlergespräches“ noch gar nicht bekannt waren).

Trotzdem wollen sich die AG-Mitglieder beim nächsten Termin noch einmal mit den genauen Vorstellungen der IG-Metall befassen. Andererseits aber Überlegungen sammeln, wie der Einfluß auf die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsweise und den Personalbestand in den Betrieben (durch Änderung des Betriebsver- fassungsgesetzes) erhöht werden kann. Denn darüber wären nach Meinung Anwesender eher Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen möglich. Außerdem müsse der Weg der Umverteilung der Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung weiterverfolgt werden.

Ein Diskussionsbeitrag aus dem PDS-Pressedienst zum Thema „Lohnkosten und Beschäftigung“ stellt die These auf, daß im Gegensatz zum Lohnverzicht die Steigerung der Massenkaufkraft geeignet sei, Arbeitsplätze zu schaffen. Diesem wurde so eindeutig nicht zugestimmt und bedarf ebenfalls weiterer Diskussion.

Auch die HBV-Vorsitzende äußerte schon im Dezember ’95, daß es keinen „Zwickel-Abschlag“ bei den Tarifforderungen geben werde. Zwar befürworte sie den Vorstoß, habe jedoch keine Illusion über die Realisierbarkeit im HBV-Bereich (Handelsblatt 21.12.95). Und ins Gedächtnis rufen sollte man sich auch, was z.B. über die 94er Banken-Tarifrunde dort gesagt wird: in der die Gewerkschaft sich im Interesse der Beschäftigungssicherung mit einem Abschluß von 2% im Bankgewerbe begnügt habe. Gleichwohl stünden dort in den nächsten Jahren 100.000 Jobs zur Disposition. Um eine solche Anzahl von Entlassungen zu vermeiden, strebe die HBV Beschäftigungssicherungsverhandlungen an. Aber niedrigere Einstiegstarife werde es mit der HBV nicht geben. Die Tarifabschlüsse der letzten Jahre lagen in der Regel um die Preissteigerungsrate – ohne daß dabei Arbeitsplätze gesichert wurden.

Nach dem Gespräch am 24.1. ist selbst in der bürgerlichen Presse die „Hoffnung“ verflogen. Aus einem Kommentar in den KN vom 25.1.96: „Wirtschaft, Gewerkschaft und Bundesregierung ... setzen sich das gemeinsame Ziel, ... die Zahl der registrierten Arbeitslosen zu halbieren.“ Dazu der Kommentator Bernd Neuendorf: „Das Papier war also vor allem eine Beruhigungspille für die Wähler und die Wirtschaft ... Hatte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel noch vor Wochenfrist zu erkennen gegeben, daß es kein ’Bündnis für Arbeit’ geben werde, wenn Sozialkürzungen vorgenommen würden, so schlug DGB-Chef Schulte gestern andere Töne an. Es müsse eine ’Reform des Sozialstaates’ in Angriff genommen werden, ... den Bonner Plänen, Arbeitslosen- und Sozialhilfe einzuschränken seien die Giftzähne gezogen worden.“ Also, eine jährliche Kürzung der Arbeitslosenhilfe um 3% pro Jahr, wie von der Regierung geplant, sei nicht mehr so schlimm?!

Weil die AG offenbar mehr auf landesweites Interesse stößt, haben wir den nächsten Termin auf einen Samstag gelegt, um mehr Menschen die Teilnahme zu ermöglichen: Nächstes Treffen am Samstag, 30. März um 14 Uhr im PDS-Landesbüro, Kiel, Kirchenweg 53. Auf der Tagesordnung steht obiges Thema.

(brg, AG-Betrieb und Gewerkschaft)