Lübeck: Täter nach wie vor nicht ermittelt

Schnell waren die Medien nach dem Brand in der Lübecker Neuen Hafenstraße bereit, die zunächst festgenommen Jugendlichen als rechtsradikale Täter zu präsentieren und ohne wirkliche Beweise einen Brandanschlag mit rassistischem Hintergrund als erwiesen hinzustellen. Genauso schnell waren sie am Wochenende nach dem Feuer bereit, den von der Polizei präsentierten neuen Verdächtigen als Täter zu akzeptieren. Und selbst die wackligen Aussagen der Verfolgungsbehörden noch übertreibend, ging über die Presseticker der Agenturen: „Doch kein ausländerfeindlicher Anschlag“.

Dabei gibt es auch zweieinhalb Wochen nach der Katastrophe kaum gesicherte Erkenntnisse. Fest steht allein, daß es sich um Brandstiftung gehandelt hat und daß das Feuer im Inneren des Gebäudes gelegt wurde. Die Polizei behauptet, die Außentür sei verschlossen gewesen und nicht aufgebrochen worden. Der Täter sei also unter den Heimbewohnern zu vermuten. Konkret wird die Tat dem 21-jährigen Libanesen Sawan E. angelastet, der seit zwei Wochen in Untersuchungshaft sitzt. Er habe mit einem anderen Bewohner Streit gehabt und diesem einen Denkzettel verpassen wollen.

Diese Version hat allerdings gleich mehrere Schönheitsfehler. So halten es Menschen, die sich in Flüchtlingsheimen auskennen, für sehr fraglich, daß das Haus verschlossen war. In der Regel sei es in solchen Unterkünften so, daß die Bewohner keinen Schlüssel bekämen und die Haustüren daher immer offen stünden. Es ist also vollkommen unklar, ob wirklich ausgeschlossen werden kann, daß der oder die Täter von außen ins Haus gelangen konnten. Auch der angebliche Konflikt gibt Rätsel auf, denn von den ehemalige Bewohnern der Hafenstraße hat keiner etwas davon mitbekommen. Und Gustav S., mit dem Sawan Streit gehabt haben soll, bestreitet dies. Die Heimbewohner haben in einer Erklärung ihre Solidarität mit Sawan zum Ausdruck gebracht. Er sei ein guter Nachbar gewesen.

Aussagen der Heimbewohner, daß es im letzten Sommer einen Drohanruf und einige Zeit danach einen fehlgeschlagenen Anschlagsversuch gegeben habe, scheinen hingegen die Ermittler nicht besonders ernst zu nehmen. Die Lübecker Nachrichten, vergleichbar mit der KN und wie diese in Springer-Hand, erweist sich ihres Stammhauses würdig, indem sie auch diese Tatsachen gegen die Flüchtlinge kehrt: „Zündeln und Zoff. Im Asylheim wurde schon vor der Brandkatastrophe mit Feuer hantiert“, überschreibt sie am Montag nach dem Brand eine Meldung über die Vorfälle vom Sommer. Der Bericht des Monopolblatts ist symptomatisch. Arbeitsteilig mit der CDU wird Lübecks Bürgermeister Bouteiller für sein couragiertes Auftreten unter Beschuß genommen. Der hatte wiederholt zum zivilen Ungehorsam gegenüber einer unmenschlichen Asylpolitik aufgerufen. Auch die Landtagsopposition schießt sich auf Bouteiller ein, schließlich hat der Wahlkampf bereits begonnen. Einer, um den es in letzter Zeit still geworden war, prescht vor: Der Abgeordnete Kubicki, der sein Amt als FDP-Landesvorsitzender wegen Verstrickungen in einen Skandal um die Privatisierung der Giftmülldeponie Schönberg in Mecklenburg-Vorpommern hatte aufgeben müssen, sieht in den Äußerungen Bouteillers eine Aufforderung zum Rechtsbruch. In einem Brief forderte er vom Kieler Innenminister disziplinarrechtliche Maßnahmen, der lehnte allerdings nach einigem Überlegen ab.

In Lübeck ist man unterdessen dabei, für die Flüchtlinge Wohnungen zu besorgen. Den Bewohnern des abgebrannten Hauses sind bereits welche zur Verfügung gestellt worden, als nächstes soll ein Heim aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Neuen Hafenstraße aufgelöst werden. Nach Aussagen Bouteillers sind für alle Lübecker Flüchtlinge Wohnungen da. Es sei in den vergangenen Jahren ausreichend Sozialer Wohnungsbau betrieben worden. (wop)