Lübecks Bürgermeister Bouteiller vor dem Kadi

SPD entspricht „zufällig” DVU-Forderung

Fast zynisch mutet es an, daß nach der Brandkatastrophe in Lübeck die Abgeordnete der rechtsextremen DVU im Kieler Landtag „disziplinarische Ermittlungen“ gegen den Lübecker Bürgermeister fordert und diese einen Tag später tatsächlich vom schleswig-holsteinischen Innenminister eingeleitet werden. So geschehen am 8. und 9. Februar. Möglich, daß sich das Oberhaupt der Hansestadt, Michael Bouteiller (SPD), für sozialdemokratische Verhältnisse zu weit nach links gewagt hatte, als er sich vor 300 Zuhörern dafür aussprach, die Sammelunterkünfte aufzulösen und zivilen Ungehorsam ankündigte, um Personen, die vom Asylparagraphen bedroht seien, zu schützen. Dies nahm die DVU-Abgeordnete Renate Köhler jedenfalls als Begründung für ihren Antrag. Nun wäre es etwas plump gewesen, hätte der SPD-Innenminister Ekkehard Wienholtz sich auf die gleiche Argumentation eingelassen. Also mußte ein Formfehler herhalten. „Die disziplinarischen Vorermittlungen stehen im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Ausstellen von Personaldokumenten sowie der rechtswidrigen Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen durch den Bürgermeister und mit der von ihm nach Presseberichten erklärten Nichtbefolgung einer entsprechenden Weisung des Innenministeriums. Zu Beginn der Vorermittlungen wird der Bürgermeister zu den Vorwürfen angehört“, heißt es in der entsprechenden Mitteilung der Landesregierung.

Stein des Anstoßes für den Innenminister war gewesen, daß Bouteiller  zweien der Angehörigen der Opfer der Brandkatastrophe Ersatz-Reisedokumente ausgestellt hatte, damit sie an den Trauer-Zeremonien in ihren Heimatländern hatten teilnehmen können und damit verbunden entsprechende Papiere für die Wieder-Einreise. Die Angehörigen, so Bouteiller, hätten unter Tränen darauf bestanden, die Dokumente von ihm persönlich ausgestellt zu bekommen, da sie noch unter Schock gestanden und zu keiner staatlichen Stelle sonst Vertrauen gehabt  hätten. Bis zur Mitte der Woche konnte das Innenministerium noch kein Ergebnis der disziplinarischen Vorermittlungen mitteilen. Mittlerweile ist eine breite Unterstützung für den Lübecker Bürgermeister entstanden.

Eine Solidaritätserklärung, bei der u.a. bekannte Persönlichkeiten wie der Schriftsteller Ralph Giorano, der Präsident des Lübecker Landgerichts Hans-Ernst Böttcher, der Vorsitzende Richter am Landgericht Lübeck, Wolfgang Neskovic (führendes Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer JuristInnen) und der Toxikologe Otmar Wassermann unterzeichnet haben, wurde jetzt von der Industriegewerkschaft Medien in Kiel herausgegeben.

„Der Bürgermeister der Stadt Lübeck, Michael Bouteiller, hat nach der Brand-Katastrophe spontan und menschlich gehandelt. Dafür muß er nun wahrscheinlich mit einem Disziplinar-Verfahren rechnen,“ heißt es darin. „Durch die besonderen Umstände war dieser Verwaltungsakt aus humanitärer Sicht gerechtfertigt. Und ob der Bürgermeister der Stadt Lübeck tatsächlich gegen das Gesetz verstoßen oder es gebrochen hat, steht noch gar nicht fest. Was sich nun gegen Michael Bouteiller abzeichnet, läßt daher bedenklicherweise nur opportunistische Gesichtspunkte und/oder wahlkampftaktische Gründe vermuten. Denn die Landesregierung selbst stellt Aufenthaltsrecht und Wiedereinreise-Möglichkeit ja nicht in Frage: gestritten wird nur über den rechtlichen Weg. Dies wirkt vor dem Hintergrund des traurigen Ereignisses kleinkariert und rechthaberisch.

Dagegen hat Michael Bouteiller mutig und das praktiziert, wovon viele in diesem Land immer nur reden: Solidarität mit den Opfern! Sein beispielhaftes Verhalten verdient Anerkennung und Respekt. Glaubwürdige Politiker, die die schon oft angemahnte Zivil-Courage auch wirklich in die Tat umsetzen, sind nämlich selten.“

Bleibt zu hoffen, daß sich die SPD-Regierung die Peinlichkeit erspart, tatsächlich disziplinarische Maßnahmen gegen Bouteiller einzuleiten. Darauf würden die Neonazis im Landesparlament sich nämlich die Hände reiben. (bam)