Gegen neo-liberale EU-Integration

Kopenhagen. An die 120 Vertreter linker Parteien und Organisationen aus 19 europäischen Ländern trafen sich am ersten  Februar- wochenende in der dänischen Hauptstadt. Auf Einladung der dänischen Rot-Grünen Allianz sollte über Alternativen zur  undemo- kratischen und neoliberalen EU-Integration à la Maastricht beraten werden. Die meisten Teilnehmer kamen aus Skandinavien, aus anderen Ländern waren zumeist nur wenige Personen angereist. Z.B. war aus Großbritannien lediglich ein Vertreter der  Labour- Linken gekommen, andere wichtige Organisationen wie die irische Sinn Fein oder die Vereinigte Linke aus Spanien fehlten ganz. Grüne Parteien wurden überhaupt nicht gesichtet, Gewerkschafter nur aus Dänemark und Frankreich (Eisenbahner). Ansonsten reichte das Spektrum von Harri Batasuna (Baskenland) und Rifundazione Communista (Italien) über die russische Arbeiter-Partei bis zu den skandinavischen Anti-EU-Bewegungen. Aus Deutschland waren Beobachter der VSP (Vereinigung für Sozialistische Politik) und der DKP anwesend. Die PDS stellte mit Klaus-Uwe Gunold den mit Abstand EU-freundlichsten Referenten der Konferenz.

Eine zentrale Rolle spielten in vielen Referaten und Diskussionsbeiträgen immer wieder die sozialen Folgen der Maastricht-Verträge. Lohndrückerei und Abbau sozialer Standards wurde aus allen Ländern berichtet, in Finnland ergänzt durch ein enormes Bauernlegen. Vor allem in Skandinavien ist aber auch der Abbau von Demokratie und nationaler Souveränität ein wichtiges Thema, das bei der Mobilisierung gegen die EU eine Rolle spielt. Ulla Klötzer, Vorstandsmitglied der finnischen Anti-EU-Bewegung, wies in ihrem  Er- öffnungsreferat darauf hin, daß, während die skandinavischen Regierungen nicht müde werden zu betonen, daß die EU ein Bündnis selbständiger Staaten ist, deutsche Banker unverhohlen die politische Union anstreben. Das aber bedeutet Machtverlagerung nach Brüssel zur Europäischen Kommission, einem Gremium, das durch keinerlei Wahl legitimiert ist. Dezentralisierung von Macht und Ökonomie war daher in der Diskussion eine immer wiederkehrende Forderung.

Eins machte die Konferenz allerdings besonders deutlich: Die Bedingungen für den Widerstand gegen Maastricht sind in den einzelnen Ländern höchst unterschiedlich. Während es in den Skandinavischen Ländern eine breite Stimmung gegen die EU-Mitgliedschaft gibt, würde man mit einer solchen Position in Ungarn für verrückt erklärt, wie der Budapester Wissenschaftler László Andor berichtete. In Kerneuropa sei die wirtschaftliche Integration derart fortgeschritten, so François Vercammen von der belgischen SAP, daß jede  Alter- native zur europäischen Integration des Kapitals nur eine internationale sein könne. Die Leute auf der Straße würden einen nicht ernst nehmen, wenn man einfach nur den Austritt aus der EU forderte, so auch ein Vertreter der niederländischen Sozialistischen Partei. Deut- lich wurden die großen Differenzen schließlich auch an einer Kontroverse zwischen Jens Borking von der dänischen Tischlergewerk- schaft und Pedro Cavalho von der KP Portugals. Während der eine von der sog. Sozial-Union einen Angriff auf die  Tarifautonomie und erkämpfte Rechte befürchtet, erhofft sich der andere für die Arbeiter in seinem Land eine Verbesserung. Einig war man sich allerdings in der Ablehnung der neo-liberalen Wirtschaftspolitik, die in den Konvergenzkriterien für die Währungsunion ihren  Aus- druck findet, und der negativen Folgen für die Umwelt, die der gemeinsame Markt bedeutet. Der Widerstand gegen die EU müsse internationalistisch sein und sich auch gegen die Abschottung Europas richten. Ein konkretes Ergebnis ist, daß sich europaweit für Referenden über den überarbeiteten Maastrichtvertrag eingesetzt werden soll.

Einen gewissen Raum in der Diskussion nahm auch die Situation in Osteuropa ein. László Andor berichtete aus Ungarn, daß es kaum eine reale Chance für eine baldige Aufnahme gebe, dennoch aber die ganze Politik darauf ausgerichtet sei. Die Ökonomien dieser Länder würden durch die Politik der EU zu Rohstofflieferanten degradiert, und die vagen Aufnahmeversprechen seien probate Mittel der  Ein- flußnahme. Eine regionale Kooperation, die eine gewisse Alternative zur EU-Integration sein könnte, gebe es kaum und würde von den Politikern der ostmitteleuropäischen Länder (Visigrad-Staaten) auch nicht angestrebt. In mehreren Diskussionsbeiträgen wurde auf die Gefahren für den Frieden hingewiesen, die eine Erweiterung der EU und der WEU (Westeuropäische Verteidigungsunion) nach Osten bedeuten würden. Besonders die Dänen zeigten sich besorgt über die militärische Kooperation ihrer Regierung mit den baltischen Staaten. Dadurch würden reaktionäre Strömungen in Rußland gestärkt. Der Vertreter der PDS forderte hingegen, auch die europäischen GUS-Staaten in die Integration mit einzubeziehen. Für den Einwand, daß dies die Desintegration der GUS bedeuten würde, hatte er nur ein Achselzucken über.

(wop)