Aufruf zum Hamburger Ostermarsch 1996

Jahrelang tobte im ehemaligen Jugoslawien ein grausamer Krieg, der zehntausende Opfer gefordert und die Lebensbedingungen vieler Menschen zerstört hat.

Die führenden europäischen Staaten haben es in jahrelangen Vermittlungen nicht geschafft, eine Beilegung der Konflikte zu erreichen, weil sie nicht bereit waren, konsequent auf nichtmilitärische Lösungen zu setzen. Stattdessen haben sie versucht, den Konflikt für eigene Interessen zu nutzen und einseitig Partei ergriffen. Die UNO wurde bewußt in den Hintergrund gedrängt.

Jetzt will die Nato mit dem größten Militäreinsatz ihrer Geschichte ihren Frieden auf dem Balkan durchsetzen - unter Beteiligung der Bundeswehr. Damit will sie sich als militärische Vormacht etablieren, auch für künftige Militäreinsätze.

Unter dem Deckmantel der Friedenssicherung nutzen Bundesregierung und Bundeswehrführung die Gelegenheit, um die Rolle des Militärischen in der Außenpolitik zu festigen. Die Ziele wurden schon in den Verteidigungspolitischen Richtlinien offen benannt: Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen und Märkten, und der Bundespräsident spricht davon, daß möglicherweise auch einmal der Einsatz von Leib und Leben gefordert ist.

Osterweiterung der Nato, deutsche Teilhabe an britischen und französischen Atomwaffen im Rahmen einer europäischen Sicherheitspolitik, europäische Militärsatelliten, Eurofighter und Krisenreaktionskräfte bestimmen die politische Diskussion - von Abrüstung ist keine Rede mehr. In der Bundesrepublik sind immer noch ständig einsatzbereite Atomwaffen stationiert. Deutsche Soldaten werden immer noch für deren Einsatz ausgebildet. Durch ihr Festhalten an der nuklearen Teilhabe verstößt die Bundesregierung gegen den Atomwaffensperrvertrag.

Der Rüstungexport läßt bei uns die Kassen klingeln, schürt aber überall auf der Welt Kriege, die zu Flüchtlingselend und Massenvertreibung führen. Die wenigen Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen, werden Opfer einer restriktiven Asylpolitik. Der Rüstungshaushalt soll weiter steigen, um die Umrüstung auf weltweite Einsätze zu finanzieren. Für Soziales, Bildung und Kultur aber ist angeblich kein Geld mehr da.

Globale Umweltzerstörung, Arbeitslosigkeit und Verarmung greifen um sich. Rüstungsproduktion verhindert weltweit eine soziale und ökologische Entwicklung. Rüstungsarbeitsplätze sind sechsmal so teuer wie zivile. Wer eine friedliche, soziale und ökologische Entwicklung will, muß die Rüstungsproduktion abbauen und darf nicht länger materielle und personelle Mittel für das Militär vergeuden.

Wir wollen diese Entwicklung nicht hinnehmen und die Politik nicht den Mächtigen überlassen. Deshalb gehen wir Ostern auf die Straße:

- für den Abzug der Bundeswehr aus allen ausländischen Einsatzorten und den Stop militärischer Interventionen,

- für den Abbau von Militärpakten, gegen die Militarisierung der Europäischen Union,

- für Abrüstung statt Umrüstung - mit dem Ziel der Abschaffung der Bundeswehr,

- für die Senkung der Rüstungsausgaben und den Einsatz der freiwerdenden Mittel zur Lösung sozialer und ökologischer Probleme,

- für die Umstellung der Rüstungsproduktion auf zivile Güter,

- für ein Verbot jeglichen Waffenexports,

- für den Abzug aller Atomwaffen aus der Bundesrepublik, eine Politik der weltweiten atomaren Abrüstung und ein wirksames Verbot sämtlicher Atomwaffentests,