Kommentar

Stinken ist undeutsch

Das waren noch Zeiten, als Studenten und Lehrlinge sich mit der Polizei kloppten, weil die KVAG die Fahrpreise um 10 Pfennig anheben wollte. Straßenbahnen wurden blockiert und die Leute mit Wasserwerfern durch die Holstenstraße gejagt.

„Nulltarif im Nahverkehr“ hieß es damals, und die Gründe, die dafür angeführt wurden, sind eigentlich immer noch ziemlich aktuell - angesichts der großen Jugendarbeitslosigkeit vielleicht noch zwingender als einst: Junge Menschen sind zumeist ziemlich knapp bei Kasse und können sich die Fahrkarten kaum leisten. Das gilt nicht nur für Schüler und Arbeitslose. Auch ein nicht kleiner Teil der Studenten lebt deutlich unterhalb des Existenzminimums.

Aber irgendwie haben sich die Zeiten geändert. Nicht nur, daß niemand mehr wagt, derart „standortgefährdende“ Dinge auch nur zu denken - geschweige denn zu äußern. Der moderne Student ist sich auch seiner staatstragenden Rolle, seiner Verantwortung für das neuentdeckte Gemeinwesen bewußt. Wenn es heißt, im internationalen Wettbewerb bestehen zu müssen, das gesamte gesellschaftliche Leben ökonomischen Verwertungskriterien zu unterwerfen, leistet auch er seinen Beitrag. Er bezahlt nicht nur brav vom mageren BAFöG seinen Fahrschein und weist jeden Gedanken an die Erschleichung von Beförderungsleistungen weit von sich. Pflichtbewußt beteiligt er sich auch an der Jagd auf die bösen Schwarzfahrer.

Davon konnte sich der überzeugen, den die Minus-Grade in den vergangenen Monaten vom Drahtesel getrieben und zur Annahme des hervorragenden Service der KVAG gezwungen hatten.

„Wer schwarz fährt schwitzt unter dem Arm“, ist derzeit auf den Scheiben Kieler Busse zu lesen. Diejenigen, die da körperliche Arbeit und Schwarzfahren für gleichermaßen abstoßend und unsozial halten, geben sich in der Unterzeile zu erkennen: „Eine Kampagne von Schülern der Muthesiusschule.“

An der Muthesiuschule sollen übrigens - habe ich gehört - Künstler ausgebildet werden. Soviel zum Stand von Kunst und Kultur in diesem Lande.

(wop)