Totalverweigerer krimininalisiert

Braunschweig, 24.4.1996. Am Mittwoch, dem 24. April 1996, hat die Polizei die Wohnungen von Detlev Beutner und Rainer Scheer, Mitarbeiter der ’Totalverweigerer-Initiative Braunschweig’, wegen Verdachts des Verstoßes gegen das ’Rechtsberatungsgesetz’ durchsucht. Beutner und Scheer, selbst Totale Kriegsdienstverweigerer, verteidigen zur Zeit - mit der Zulassung durch die entsprechenden Gerichte - zwei andere Totalverweigerer. Auch die Verteidigerakten in diesen laufenden Verfahren wurden, neben anderem umfangreichen Material, beschlagnahmt. Bei der Aktion waren insgesamt 5 PolizistInnen, darunter ein Beamter des Landeskriminalamtes, beteiligt.

Nach dem ’Rechtsberatungsgesetz’, 1935 zur Eliminierung der Juden aus der Rechtsberatung durch die Nationalsozialisten eingeführt, ist die ’geschäftsmäßige’ Rechtsberatung ohne die generelle Erlaubnis hierzu verboten und kann mit einem Bußgeld bis zu 10.000 DM belegt werden. In einem aktuellen Kommentar zum Rechtsberatungsgesetz wird ausgeführt, daß das Gesetz, da die Passagen über Juden gestrichen worden sind, nicht mehr als „außerordentlich nationalsozialistisch“ bezeichnet werden könne.

In einer ersten Stellungnahme erklärte die TKDV-Initiative Braunschweig, daß den staatlichen Organen offenbar „nichts zu peinlich“ sei, um antimilitaristische Zusammenhänge zu kriminalisieren, so hier die Fortsetzung der nationalsozialistischen Tradition, ’politisch unerwünschte Elemente’ aus der Rechtsberatung auszuschließen. Die Durchsuchung reihe sich daneben in eine ganze Folge neuerer Repressionen gegen antimilitaristische Zusammenhänge ein. Jüngstes Beispiel seien auch die Durchsuchungen der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär in Berlin sowie der Redaktionen der „taz“ und der „Jungen Welt“ wegen einer Persiflage auf Bundeswehr-Werbung durch ein Plakat mit dem Titel „Ja, morden“.

Wenn, so die TKDV-Initiative weiter, die auf freundschaftlichen und solidarischen Zusammenhängen beruhende gegenseitige Verteidigung von Totalen Kriegsdienstverweigerern nun durch das Rechtsberatungsgesetz verboten und kriminalisiert werden sollte, müßten konsequenterweise auch alle KDV-Beratungsstellen geschlossen werden. Daß hier mit zweierlei Maß gemessen wird, sei ein Zeichen dafür, was auch ein Polizeibeamter bei der Durchsuchung erklärte: Die Arbeit der TKDV-Initiative Braunschweig, also die Unterstützung des radikalen Widerstandes gegen Wehrpflicht und Militär, sei „wohl einigen ein Dorn im Auge“.

Einem ggf. folgenden Ordnungswidrigkeiten-Prozeß sehe die Initiative mit Interesse entgegen, könnte dort doch umfassend beleuchtet werden, wie der Staat zuerst diejenigen verfolgt, die sich dem Zwang zum direkten oder indirekten Kriegsdienst verweigern, um anschließend jene zu kriminalisieren, die den ersteren rechtlichen Beistand leisten.

Soeben hat die Braunschweiger Initiative die vierte überarbeitete Auflage des Readers zur Totalen Kriegsdienstverweigerung veröffentlicht. Das Infopaket soll helfen, die wichtigsten und grundlegendsten Fragen zur totalen KDV zu beantworten. Insbesondere eignet es sich für die KDV-Beratung. Aus dem Inhaltsverzeichnis:

- TKDV - eine Absage an Militär und Krieg (Einführender Text)

- Thesen zur Einplanung der KDVer in die Zivile Verteidigung

- Zivilverteidigung, zivilmilitärische Zusammenarbeit und Planungen für den Verteidigungsfall

- Was passiert wenn ... - Über die Abläufe einer TKDV

- Über den Umgang mit Strafprozessen gegen Totalverweigerer

- Entwicklungen und Tendenzen in der Strafrechtsprechung

- Wehrungerechtigkeit

- Zivildienst ist antisozial - über das Märchen vom sozialen Hilfsdienst

- Stellungnahmen gegen eine Allgemeinen Dienstpflicht

Für nur 3 DM ist das 68 Seiten A5 starke Werk zu bestellen bei:

TKDV-Initiative Braunschweig, c/o Detlev Beutner, Friedrich-Wilhelm-Str. 46, 38100 Braunschweig, Tel./Fax 0531/44578