Kommentar:

Die nächste Runde

Der Vorsitzende der Demokratischen Liga Kossovos, Ibrahim Rugova, hat, so berichtet die Süddeutsche Zeitung, für die serbische Provinz „einen neutralen und unabhängigen Staat“ gefordert. Zum ersten Mal. Bisher hatten sich die Kossovo-Albaner immer damit begnügt, Autonomie innerhalb der jugoslawischen Förderation zu verlangen.

Und wo gab Rugova seine neuen Forderungen bekannt? In Bonn. Nach Gesprächen mit Außenminister Kinkel. Mit dem trifft er sich übrigens - erfahren wir nebenbei - regelmäßig. Die Bundesregierung hält offensichtlich die Zeit für die nächste Runde im Balkankrieg für gekommen.

Wir erinnern uns: Im November ’91 ist Izetbegovic, bis dahin vehementer Gegner der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens, zu Gast am Rhein. Als er das Bundeskanzleramt verläßt, hat er seine Meinung um 180 Grad geändert. Wenige Wochen später erkennt Bonn die Unabhängigkeit der neuen Staaten an (und verletzt damit EU-Beschlüsse). Die Folgen sind heute in Mostar, Srebrenica und Bihac zu besichtigen.

Doch gegen das, was jetzt folgen kann, war das alles nur ein harmloses Vorspiel: Vorsorglich hat man schon einmal das Waffenembargo gegen Bosnien aufgehoben, und wir dürfen sicher sein, daß Sarajevo gerne den „albanischen Glaubensbrüdern“ zur Hilfe kommen wird. Ebenso wird man in Tirana sicherlich gerne die Gelegenheit ergreifen, um von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken. Und am Bosporus, wo man militärische Beziehungen zum skipetaren Staat unterhält, träumt man bereits seit längerem vom Wiederaufleben osmanischer Zeiten. Kaum anzunehmen, daß Athen, das sich wiederum traditionell mit den Serben gut versteht, dem ruhig zusehen wird.

Kinkel droht unterdessen der Belgrader Regierung. Wenn die Menschen- und Minderheitenrechte nicht gewahrt und Kossovo nicht „einen hohen Grad an Autonomie“ bekomme, habe das finanzielle Folgen.

Und damit für den neuen Krieg auch genug „Menschenmaterial“ vorhanden ist, werden weiter Deserteure abgeschoben. Rugova, so ist zu hören, sprach sich auch für die „Rückführung“ der rund 90.000 Flüchtlinge aus dem Kossovo aus. Das war wohl seine Bringschuld für die Bonner Unterstützung.

(wop)