„Opferung von Feiertagen, sobald die Wirtschaft dies fordert“

Streit um Buß- und Bettag in S.-H.

Im Streit um den Wegfall des Buß- und Bettages in Schleswig-Holstein ist die nächste Runde eingeläutet. Nachdem vor allem die Kirchen gegen die Opferung des Feiertages als Kompensation für die Pflegeversicherung protestiert hatten, verabschiedete das schleswig-holsteinische Kabinett am 30.7. einen Gesetzentwurf der Landesregierung, der bereits bis zum diesjährigen Bußtag im November in Kraft treten soll.

Der Gesetzentwurf räumt allen Beschäftigten und Auszubildenden auf Antrag einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung für die gesamte Dauer des Buß- und Bettages ein, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen. Auch SchülerInnen können sich vom Unterricht am Buß- und Bettag befreien lassen. Wie Innenminister Ekkehard Wienholtz vor der Presse in Kiel sagte, werde damit der Schutz des Buß- und Bettages ausgeweitet, um der kirchlichen, kulturellen und sozialen Bedeutung dieses Tages noch stärker Rechnung zu tragen.

Die unbezahlte Freistellung könne von allen Auszubildenden und Beschäftigten unabhängig von ihrem religiösen Bekenntnis und der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft in Anspruch genommen werden. Bei einem unterstellten durchschnittlichen Monatslohn von 3.750 DM betrage die durchschnittliche Einkommenseinbuße, über die der Arbeitnehmer aber selbst entscheiden könne, 125 DM.

Würde der Bußtag wieder als gesetzlicher Feiertag eingeführt, müßten die Arbeitnehmer den Beitrag zur ersten Stufe der Pflegeversicherung (1% der beitragspflichtigen Einnahmen) allein, den Beitrag zur zweiten Stufe (0,7% der beitragspflichtigen Einnahmen) zur Hälfte tragen. Der zusätzlich vom Arbeitnehmer dann zu tragende Arbeitgeberanteil würde sich bei einem Beschäftigten mit einem durchschnittlichen Monatsgehalt von 3.750 DM auf 18,75 DM monatlich oder 225 DM jährlich belaufen. Durch den Gesetzentwurf der Landesregierung würden die Arbeitnehmer lediglich den Tagesverdienstsatz von 125 DM verlieren.

Heftige Kritik an der von der Landesregierung gewollten Feiertagsregelung äußerten die DAG-Landesverbände Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern: „Jetzt werden auch noch die kirchlichen Feiertage mit Preisschildern gekennzeichnet!“, so der  DAG-Landesver- bandsleiter Dietmar Katzer. „Greifen schon jetzt die Mechanismen der freien Marktwirtschaft so weit um sich, daß ein kirchlicher Feiertag für 125 DM als preiswertes Angebot verstanden wird?“ Die von der Landesregierung gewählte Möglichkeit, den Buß- und Bettag auf Antrag unbezahlt frei zu nehmen, greife zu kurz: „Es bedeutet das indirekte Zugeständnis an die Arbeitgeber, daß die ehemalige Durchsetzung der  Kompensations- regelung durchaus gerechtfertigt war. Desweiteren sprechen konkrete Gründe gegen die Einführung einer solchen Regelung. Mit Zustimmung des Arbeitgebers konnte bisher schon die unbezahlte Freistellung beantragt werden, ohne daß es einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung bedurft hätte. Die unbezahlte Freistellung kommt weiterhin einer 5%-igen Lohnsenkung in diesem Monat gleich. Dies ist bei der derzeitigen Situation der Arbeitnehmerhaushalte nicht so einfach zu verkraften. Mit Wegfall der Löhne und Gehälter werden an diesem Tag außerdem keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt.“

Sogar das Kieler Institut für Weltwirtschaft gehe davon aus, daß sich die Gewinnsituation der deutschen Unternehmen im Gegensatz dazu im nächsten Jahr nochmals verbessern werde. Es sei daher weiterhin unverständlich, wieso die Beschäftigten dies mit der Aufgabe des Buß- und bettages als kirchlichen Feiertag bzw. mit einer unbezahlten Freistellung bezahlen sollten. „Es geht hier nicht nur um die unbezahlte Freistellung am Buß- und Bettag, sondern um die Opferung von Feiertagen, sobald die Wirtschaft dies fordert“, betonte Katzer.

Beliebt gemacht haben sich die Sozialdemokraten mit dem Gesetzentwurf lediglich bei der CDU: Als „kleinen Schritt in die richtige Richtung“ lobte der CDU-Landtagsabgeordnete Eberhard Dall‘Asta die angestrebte Feiertagsregelung.

(bam)