Kommentar

Hungerstreik erfolgreich

Zwölf Menschen mußten erst sterben, bevor sich die türkische Regierung herabließ, auf die Forderungen der politischen Gefangenen einzugehen. Ob sie sich an die nun gemachten Versprechen halten wird, muß sich noch zeigen. Einige türkische Oppositionelle sind da eher skeptisch.

Der jetzige Hungerstreik war keineswegs der erste. Seit langem sind die Haftbedingungen im NATO-Land Türkei menschenunwürdig: Verwandte werden bei Besuchen verhöhnt, Gefangene auf Transporten mißhandelt. Oftmals werden sie fernab von Wohnort und Gerichtsstand untergebracht, so daß Verteidiger viele Stunden fahren müssen, um mit ihren Mandanten zu sprechen. Mitunter kommt es vor, daß selbst die medzinische Versorgung verweigert wird. amnesty international berichtet, daß allein im Istanbuler Bayrampasa-Gefängnis 15 Häftlingen, die an Diabetes, Herzbeschwerden, Folterfolgen oder Asthma leiden, die Medikamente vorenthalten werden.

Deutsche Medien zeigen an diesen massiven Menschenrechtsverletzungen wenig Interesse. Erst als der Hungerstreik eskalierte und die ersten Opfer zu beklagen waren, bequemte man sich zu Berichten. Einige Blätter machten es sich dabei besonders leicht, indem sie einfach die Kommuniqués des Justizministers wiedergaben. Die hiesige Öffentlichkeit mußte so den Eindruck bekommen, türkische Gefängnisse seien in erster Linie Schulungszentren linker Gruppen, in denen die Wärter nichts zu melden haben. Derart vorbereitet, störte sich denn auch kaum jemand daran, daß in Deutschland Solidaritätsaktionen auseinandergeprügelt wurden. Die Bonner Regierung steht halt fest zum Bündnispartner Türkei - Vorposten deutscher Interessen im Nahen Osten - und braucht Kritik einer liberalen Öffentlichkeit an dieser Politik nicht zu fürchten.

Doch es bleibt auch Hoffnung: Daß Ankara schließlich einlenken mußte, ist vor allem innenpolitischem Druck zu verdanken. Immer mehr Menschen begehren in der Türkei gegen Unterdrückung, Folter und Verschwindenlassen auf. Aus Solidarität mit den Hungerstreikenden gab es in den großen Städten zahlreiche Aktionen. Erstmalig haben auch Künstler und Intellektuelle ihre Zurückhaltung aufgegeben und die Forderungen der politischen Gefangenen öffentlich unterstützt. Die demokratische Opposition geht aus diesem Hungerstreik gestärkt hervor.

(wop)