Aus dem Kieler Rat:

Große Koalition: „Das muß kesseln ...“

Übers Proben für ihre Auftritte im Rahmen des „Theaters ums Theater“ hatten die CDU-Ratsherren und -frauen offensichtlich ihre übrigen Hausaufgaben etwas vernachlässigt. Auf der August- Ratsversammlung (15.8.) zeigten sie sich sichtbar unvorbereitet. Mehrere Vorlagen wurden mit ihren Stimmen und denen der Stadt-Union (SUK) vertagt. Z.B. eine Entscheidung über den Klimaschutzfond: Die Stadt will sage und schreibe 80.000 DM für die Förderung regenerativer Energiequellen ausgeben. Weitere 160.000 DM schießen die Stadtwerke hinzu - beides Gelder, die aus der Einsparung des Kohlepfennigs stammen. „Verschwendung von Steuergeldern“, ruft die SUK. Die CDU muß hingegen noch einmal darüber nachdenken, ob sie der Zusammensetzung des Fond-Beirats zustimmen kann. (Zur Ehrenrettung der Rosa-Grünen muß man hinzufügen, daß der Fond auch in den kommenden Jahren bestückt werden soll.)

Auch in der Frage der weiteren Fahrpreisermäßigung für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger verhinderten CDU und SUK vorläufig einen Beschluß. Die Vergünstigungen wurden in diesem Jahr stärker als geplant angenommen, der entsprechende Haushaltstopf ist daher erschöpft.
Windparks soll es nach dem Willen des Stadtparlaments in Kiel nicht geben, einzelne Anlagen sollen aber möglich sein. Der Rat schließt sich offensichtlich der Meinung der Landesplanungsbehörde an, daß die Akzeptanz der Windenergie in der Stadt geringer sei als auf dem Land.

Keine Akzeptanz-Probleme scheint hingegen die Müllverbrennungsanlage (MVA) zu haben, glaubt man der CDU. Die Grünen sollten deshalb mit dem Gerede aufhören und dem Weiterbetrieb des dritten Kessels zustimmen, um nicht das „Vertrauen der Kieler Bürger in die MVA“ zu zerstören. Für 250 Millionen DM hat man in den letzten Jahren die MVA aufgerüstet, was den Kielern im nächsten Jahr eine nochmalige  Müllgebühren- Erhöhung von satten 32% bescheren wird. Nun stellt man fest, daß Überkapazitäten gebaut wurden, aber freilich auch wiederum nicht genug. Denn soll die MVA 100-prozentig ausgelastet werden, muß Müll aus dem Kreis Schleswig-Flensburg angenommen werden. Da das aber wieder zu viel wäre, müßten noch zusätzliche Kapazitäten her, sprich: Der (alte) dritte Kessel, der im November abgeschaltet werden sollte, müßte weiter betrieben werden. Weitere 15 Mio. DM wären für die Nachrüstung fällig. Die SUK brachte in der Debatte das Kunststück fertig, gegen den 250-Millionen-Ausbau zu wettern und einen Weiterbetrieb des dritten Kessels zu fordern. Die Vorlagen, die zur Abstimmung standen, unterschieden sich allerdings nur graduell. Trotz der verbalen Opposition der Grünen wird nach Aussagen des Umweltdezernenten auch ihr zusammen mit der SPD eingebrachter Antrag die Verwaltung nicht daran hindern, eine Beantragung des Weiterbetriebs vorzubereiten. Die endgültige Entscheidung wird allerdings erst später in der Ratsversammlung fallen.

Gegen Ende der Sitzung gab es noch einmal ein Highlight an Unterhaltungswert, als es um das Semesterticket für die Studenten ging. Der Rat forderte den KVAG-Aufsichtsrat auf, für eine unbefristete Verlängerung zu stimmen. CDU und SUK lehnten diesen Antrag ab. In der Debatte schaffte es Stadtrat Petersen von der SUK mit einer von jeglicher Sachkenntnis ungetrübten kabarettistischen Einlage gleich sämtliche sich widersprechende Ressentiments zu bedienen. Zu erst mußte natürlich das SUK-Lied vom armen Bürger - hier vertreten durch die Studenten - gesungen werden, den der Staat - in diesem Fall die KVAG - schröpft: Die Studenten würden zwangsweise zur Subventionierung des ÖPNV herangezogen. Dann galt es aber auch den Stammtisch zufrieden zu stellen: „Ein Füllhorn von Vergünstigungen wird über den Studenten ausgeschüttet.“ Es schlossen sich lange Tiraden über schmarotzende Schein-Studenten an, die sich einschrieben, nur um billig das leckere Mensa-Essen zu genießen und fast umsonst Bus fahren zu können.

Ein würdiger Abschluß für diese weise Versammlung von Stadtvätern und -müttern.

(wop)