Kommentar:

Kieler Sommertheater

Kiel ist Provinz, da beißt die Maus keinen Faden ab. Mit dem neuen Künstlerischen Leitungsteam (KLT), das seit der Spielzeit 95/96 die Kieler Bühnen betreut, schien ein bißchen frischer Wind auf die Bretter zu kommen, die fast überall, nur nicht in Kiel die Welt bedeuten. Von Anfang an nicht unbedingt beliebt, ist das KLT nun ins Kreuzfeuer der Kritik geraten - Sommerlochtheater auf norddeutsch. Zu groß scheint der Ratsversammlung das eingespielte Defizit von ca. 4 Mio. DM. Selbst die Ratsfraktion der SPD, bis vor kurzem neben den Grünen noch als Protegé der unkonventionellen TheatermacherInnen bekannt, reiht sich jetzt in die Front der Sparer und vermeintlichen Anwälte des „Steuerzahlers“ ein.

OK, 4 Mio. sind kein Pappenstiel. Das KLT selbst gibt zu, in der Ausgabenpolitik Fehler begangen zu haben. Dabei hatte das Trio mit einer für Kiel völlig neuen PR- und Werbeoffensive versucht, vor allem jüngeres Publikum in die bislang als „bildungsbürgerliche Erziehungsanstalt“ verschrienen Häuser zu locken. Daß ihnen mit frischen und innovativen Inszenierungen, die das verschlafene Nest an der Förde endlich in die bundesdeutsche Theaterszene zurückbringen sollten, ein paar von den AbonnentInnen weglaufen würden, die ins Theater gehen, um ihre Abendgarderobe auszuführen und an sonsten von dem, was auf der Bühne passiert, nicht weiter behelligt, schon gar nicht aus ihrer besserverdienenden Ruhe aufgescheucht werden möchten, hatte das KLT durchaus einkalkuliert. Knapp ein Drittel der AbonnentInnen gehörten 95/96 zu dieser Kategorie Theater-„Liebhaber“.

Doch was sagen solche Zahlen aus? Die handelsübliche Interpretation lautet: Das Theater ist schlecht, deswegen laufen die AbonnentInnen weg. Aber könnte es nicht auch umgekehrt sein - das Theater ist zu gut für das verschnarchte Kieler Publikum? Klar, wer die letzten 25 Jahre zeitgenössischer Inszenierungen auf weit bedeutenderen Bühnen als der Kieler nicht zur Kenntnis genommen hat, der oder die rennt raus, wenn eine Nackte durch die Szene schreitet, wenn beim Ballett die Prima Ballerina nicht in Spitzenschuhen und Gazeröckchen tanzt.

Allein, was herauskommt, wenn Theater kostendeckend und sogar mit happigen Gewinnen spielt, sehen wir z.B. in Hamburg. „Cats“ heißt derlei Schrott, oder „Phantom der Oper“, für dessen Spielstätte im Schanzenviertel eigens ein ganzes Stück Stadtteilkultur platt gemacht wurde.

(jm)