Kein Platz für Amateur-Musik?

Rockbands haben es in Kiel schwer, Räume zu finden. Und haben sie einen gefunden, müssen sie meistens viel Geld hinlegen. Öffentliche Förderung? Fehlanzeige! Dieser Bereich der Kultur existiert für Kommunalpolitiker scheinbar nicht.

1983 hat sich ein Teil der Kieler Musik-Szene im Musico e.V. zusammengeschlossen. Neben Lobbyarbeit hat dieser Verein auch die Aufgabe, den Gruppen fachliche Beratung und Unterstützung im Musikmanagement zu bieten, Workshops und Konzerte zu organisieren, Talentförderung zu betreiben und nicht zuletzt bezahlbare Übungsräume bereitzustellen. Was letztere angeht, so hat die Stadt dem Verein Ende der 80er ein Haus an der Hörn mietfrei zur Verfügung gestellt - als Übergangslösung. Denn schon damals war klar, daß das Gebäude im Zuge der Hörnsanierung abgerissen werden würde. Die ist inzwischen in greifbare Nähe gerückt, und so werden die Bands, die an der Hörn ihr Domizil gefunden haben, vieleicht schon bald wieder auf der Straße stehen


Die Lokalberichte sprachen mit Peter Strempel, der seit Mitte des Jahres auf einer neu eingerichteten ABM-Stelle bei Musico als Kulturreferent arbeitet. (wop)

Peter, ihr sollt Ende 1997 hier raus. Das Haus Gaardener Straße 6, heißt es, wird im Rahmen der Hörnsanierung abgerissen. Gibt es schon eine Alternative?

Wir haben Räume in der Fröbelschule beantragt. Uns geht‘s dabei nicht nur darum, den Bestand, den wir jetzt haben, zu halten, sondern das Angebot zu vergrößern. Die Fröbelschule hat 44 Räume, von denen wir 18, d.h. zwei Etagen beantragt haben, um für ca. 50 Bands Übungsräume zur Verfügung stellen zu können.

Wieviel Bands proben zur Zeit bei Musico an der Hörn?

Wir haben hier an der Hörn sieben Räume, in denen geübt werden kann, aber die sind erheblich kleiner als die Klassenräume in der Fröbelschule. Der Platz reicht für 17 Bands, 30 weitere sind auf der Warteliste. Außerdem werden wir immer wieder bei Konzerten und anderen Gelegenheiten gefragt, wie es mit Übungsräumen aussieht. Aber diese Nachfragen sind natürlich noch nicht besonders verbindlich. Um mal zu sehen, wie eigentlich der Bedarf in Kiel ist, haben wir einen Fragebogen entwickelt und verteilt. Im Augenblick warten wir noch auf den Rücklauf.

Allgemein heißt es ja, daß die Situation in Kiel, was Übungsräume angeht, nicht so besonders ist. Was meinst Du, wieviel Bands auf der Suche nach einem Raum sind?

Ich schätze, daß es in Kiel ca. 120 bis 150 Bands gibt und daß die meisten von denen auf der Suche nach bezahlbaren Räumen sind. Die Situation ist halt die, daß diese Räume bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen. Sie dürfen nicht in Wohngebieten sein, wegen Nachbarn und Lärm. Es bleiben also im wesentlichen nur Garagen in Gewerbegebieten, und die kosten ihren Preis. Man kann davon ausgehen, daß so eine Garage als Übungsraum 500 DM kostet. Pro Monat! Das ist natürlich eine ganze Menge.

Das heißt, die 50 Bands, die ihr in der Fröbelschule unterbringen wollt, wären noch nicht einmal der volle Kieler Bedarf. Wie hat denn das Liegenschaftsamt auf euren Antrag reagiert?

Es war so, daß wir mehrere Gespräche hatten, um unsere Vorstellungen zu erläutern. Einmal waren wir mit einer Band in der Schule und haben eine Akustik-Probe gemacht, um zu sehen, wie man mit anderen Initiativen eine Raumaufteilung hinkriegen kann, ohne sich gegenseitig in die Quere zu kommen. Dann haben wir lange Zeit nichts mehr gehört, bis uns das Angebot zugeschickt worden ist, daß wir von den beantragten 18 Räumen vier bekommen können. Für die sollen wir eine Miete von 8,43 DM/qm bezahlen, was für uns ein viel zu hoher Preis ist. Die vier Räume sind natürlich viel zu wenig, um den Bedarf decken zu können. Es wäre sogar weniger, als wir bisher haben. Man könnte nun natürlich fragen, was wir mit dem ganzen Platz wollen. Dazu muß man wissen, daß die Leute, die Räume haben, meistens schon ziemlich lange drin sitzen. Nun kommen aber nachwachsende Generationen, die auch Musik machen wollen und dringend Übungsräume brauchen. Die können wir aber im Augenblick wegen der Raumknappheit überhaupt nicht in die Vereinsarbeit einbinden. Wir haben also so eine Art Generationskonflikt in diesem Bereich. Die meisten Bands haben ein Durchschnittsalter von 30 und die jüngeren Bands sind total unterrepräsentiert. Das führt dann dazu, daß bestimmte musikalische Richtungen hier nicht entsprechend vertreten sind.

Welche?

Hardcore. Nicht sowas wie Rock, Blues oder auch Hard Rock, das ist für die eher langweilig. Die interessieren sich mehr für die Weiterentwicklung dieser Musikstile und die Vermischung, also das, was man Cross-Over Grunch nennt.

Dies „Angebot“ des Liegenschaftsamtes hört sich ja fast so an, als ob sie Euch nicht recht in der Fröbelschule haben wollen.

Das Angebot ist ja nicht nur uns, sondern auch anderen Kieler Kulturinitiativen gemacht worden. Wie man aber auf diese Art Initiativen unterstützen will, ist mir ein Rätsel. Ich gehe mal davon aus, daß sich keine von denen solche Gewerbemieten leisten kann.

Bei dem, was Du erzählst, bekomme ich den Eindruck, daß die Rockmusik in Kiel ziemlich stiefmütterlich behandelt wird. Stimmt das?

Natürlich könnte die Förderung für Rockmusik besser sein, und in anderen Städten ist sie auch besser als in Kiel, selbst in Eckernförde wird mehr getan in diesem Bereich und natürlich in Hamburg, Bremen, Hannover... Das sind Fragen, die wir in nächster Zeit mit der Stadt Kiel klären wollen.

Was heißt das? Bekommt Ihr überhaupt Zuschüsse für eure Arbeit und wenn ja, wie viel?

Zur Zeit beträgt der Haushaltstitel, der uns für die Vereinsarbeit zugesprochen wird, 2.600 DM im Jahr. Das reicht gerade für die Portokasse. Außer den üblichen Ausgaben müssen davon auch größere Veranstaltungen wie in den letzten Jahren das Landesrockfestival oder Themen-Veranstaltungen, die der Verein organisiert hat, finanziert werden. Man sieht also, daß der Zuschuß vorne und hinten nicht reicht. Da Musico bis vor kurzem ausschließlich ehrenamtlich arbeitete, ist manches aus privaten Kassen geflossen. Wie das in Zukunft wird, werden wir sehen. Im September reden wir mit dem Kulturamt und werden auch diese Fragen erörtern.

Fördert denn die Stadt zumindest Auftrittsmöglichkeiten - z.B. während der Kieler Woche an der Spiellinie?

An der Spiellinie gab es vor Jahren die Show Box. Die hatte das Kulturamt eingerichtet, um Nachwuchs-Bands zu präsentieren. In den letzten Jahren ist dann aber die Show Box von der Spiellinie verdrängt und in die MAX-Bühne am Berliner Platz integriert worden. Gleichzeitig wurde die Programmatik ausgehöhlt. Statt wie früher drei spielen heute nur noch eine oder maximal zwei Gruppen pro Abend und das auch nur als Vorprogramm für das MAX-Programm. In der Kieler Musiker-Szene ist man darüber ziemlich verärgert. Auch das wollen wir demnächst beim Kulturamt ansprechen.

Und gibt es sonst irgendwelche Programme? Ich erinnere mich, daß es früher mal Nachwuchs-Wettbewerbe gab.

Wir haben in den letzten beiden Jahren das Landes-Rock und Popfestival organisiert. Abgesehen von den minimalen Zuschüssen hatte die Stadt da keine Aktien drin. Diesen Herbst soll es auch wieder laufen, aber nicht mehr als Wettbewerb. Das soll eher ein landesweiter Austausch werden. Geplant ist eine Konzertserie unter dem Titel „Concert per Minutes“, an der wir uns beteiligen. Da wird man dann auch in Kiel Bands z.B. von der Westküste sehen können. In welchem Umfang das ganze vom Kieler Kulturamt gefördert werden wird, ist noch offen; die entsprechenden Anträge sind noch in Arbeit.

Vielen Dank für das Gespräch.