Sommerlöcher im Theaterhaushalt

Sommertheater in der Ratssitzung: Erneut ist das Künstlerische Leitungsteam (KLT) der Kieler Bühnen ins Kreuzfeuer geraten. Das in der Spielzeit 95/96 eingespielte Defizit wird auf rund 4 Mio. DM geschätzt. Das ist selbst der SPD-Ratsfraktion zu viel, die in einem Dringlichkeitsantrag (der einstimmig angenommen wurde) auf der Ratssitzung am 15.8. eine lückenlose Aufklärung des Zustandekommens des Defizits und gegebenenfalls auch personelle Konsequenzen verlangte. Ingrid Jöhnk, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, bemängelte, daß die Verwaltung ebenso wie die Ratsversammlung nicht über die genaue Höhe des Defizits und seine Ursachen informiert sei. Man müsse sich allein auf das stützen, was in der Zeitung steht.

Woher das Defizit kommt, kann oder mag derzeit niemand mit Sicherheit sagen, der Abschlußbericht über die abgelaufene Spielzeit wird erst Anfang September vorliegen. Als Ursachen für das Defizit werden neben den um fast ein Drittel gesunkenen AbonnentInnen und dem Umbau des Schauspielhauses auch andere Quellen für Mehrausgaben gehandelt, etwa die Einbeziehung neuer Spielstätten (z.B. Halle 400) und eine zu hohe Quote an Gastengagementen mit wiederum überhöhten Honoraren. Zu letzterem Punkt bemängelten die Grünen das „mangelhafte Controlling“. Im Prüfbericht des Rechnungsprüfungsamtes der Stadt Kiel seien, so die „Kieler Nachrichten“ vom 17.8., weitere Unregelmäßigkeiten zutage gefördert worden. Der Bericht bemängelt Ungenauigkeiten bei der Abrechnung des Theaterfestes im letzten September, unzulässiges Aufrechnen von Einnahmen und Ausgaben und zudem die Abrechnung einer angeblich privaten Flugreise (3.011,25 DM) des KLT-Mitglieds Emmanuel Bohn über den Theaterhaushalt.

Sicher scheint, daß es Unregelmäßigkeiten gegeben hat, und auch die Ausgabenpolitik des KLT nicht immer genügend mit der zuständigen Verwaltung abgesprochen war. Letzteres gibt das KLT auch unumwunden zu. Es sei aber normal, daß bei so umfangreichen Strukturveränderungen eines Theaters zunächst überdurchschnittliche Kosten anfallen, die das KLT in den folgenden Spielzeiten durch Mehreinnahmen wieder ausgleichen will. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff wies darauf hin, daß die „Verzahnung“ zwischen KLT und kaufmännischem Direktor nicht gut genug funktioniert habe, und griff damit auch den Theaterdezernenten Karl-Heinz Zimmer (CDU) an. SPD-Fraktionschef Raupach wies aber auch auf die Verdienste des KLT hin. Zum einen habe das KLT mit einer (für Kiel) völlig neuen Werbestrategie das Theater mehr ins Bewußtsein der Kieler gebracht und so wichtige „kulturelle Impulse“ gegeben. Zum anderen sei es dem KLT zuzuschreiben, daß statt eines Neubaus des Schauspielhauses, der vor dem Engagement des KLT eigentlich schon fast beschlossene Sache war, ein wesentlich kostengünstigerer Umbau des alten Hauses in der Holtenauer Straße noch einmal überdacht wurde.

Um das Schauspielhaus und seinen Umbau ging es dann auch hauptsächlich in der Ratsversammlung. Anfang des Jahres hatte ein „Sonderausschuß Schauspielhaus“ die Arbeit aufgenommen, dessen Abschlußbericht jetzt zur Abstimmung stand. Der Ausschuß sollte die Vorgänge um die Auftragsvergabe für den Umbau aufklären. Das KLT hatte sich den Berliner Architekten Prof. Sawade ausersehen, dessen Theaterbau in Bonn als Vorbild dienen sollte. Dabei wurde offensichtlich übersehen, und das wohl nicht nur vom KLT, daß nach neuesten EU-Richtlinien eine EU-weite Ausschreibung notwendig gewesen wäre. So in die Bedrouille geraten, soll der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Tovar „empfohlen“ haben, den Entwurf von Sawade mit einem neuen Stempel des Hochbauamtes zu versehen, was die CDU-Fraktion als Aufforderung zur Urkundenfälschung verstanden wissen will. Das KLT selbst hatte ein solches eventuelles Vorgehen abgelehnt. Wiederholt, so der Bericht, habe KLT-Mitglied Nikolaus Büchel vor urheberrechtlichen Konsequenzen gewarnt. Abschließende Aufklärung konnte der Bericht des Ausschusses nicht bringen, da, so der Ausschußvorsitzende Raupach, der Hauptzeuge Prof. Sawade sich strikt geweigert habe, sich vor dem Ausschuß zu äußern. Die Absegnung des Abschlußberichtes (mit den Stimmen von Rosa-Grün) war für die Ratsversammlung jedenfalls noch einmal willkommener Anlaß, sich in Bezug auf die unterschiedlichen Vorstellungen über die Struktur des Kieler Theaters kräftig zu beharken.

Schon zu Beginn der Debatte stellte die CDU-Fraktion einen Antrag, nach dem die Verwaltung prüfen solle, wie die Spielzeit 96/97 bis zur Neuwahl eines Generalintendanten übergangsweise durchzuführen sei, falls das KLT vorzeitig entlassen wird. Ein Antrag auf Entlassung des KLT „durch die Blume“ also, der aber keine Mehrheit fand. Die SPD-Fraktion hielt mit dem Gedanken an Entlassung des KLT noch etwas hinter dem Berg, deutlich wurde jedoch, daß man diesen Schnitt nicht mehr ganz ausschließt. Einzig die Grünen stehen noch hinter dem KLT. Sie forderten zur Beseitigung des Defizits Haushaltsumstrukturierungen und -konsolidierungen. Die SUK-Fraktion „glänzte“ neben dem üblichen unqualifizierten Gelaber, daß hier Steuergelder verschwendet würden und daß das KLT den Ruf des Kieler Theaters bundesweit geschädigt habe, allenfalls rhetorisch, als Ratsherr Kottek forderte: „Herr Bohn, bezahlen Sie ihre Schulden und dann gehen Sie! Und vergessen Sie ihren Hut nicht!“

Defizitmisere und Unaufgeklärtes über das Zustandekommen der Pläne für die Schauspielhaussanierung waren zwar die eigentlichen Themen in der Ratsdebatte über das KLT, zwischen den Zeilen wurde aber immer wieder klar, daß denjenigen, die sich vom KLT trennen wollen, einfach nur, um mit Wilhelm II. zu sprechen, dessen „janze Richtung nicht paßt“. Theaterdezernent Zimmer outete sich in der Ratsversammlung als derjenige, der schon immer wußte, daß das mit einem dreiköpfigen Leitungsteam schiefgehen würde. Dem NDR-Fernsehen diktierte er ins Mikrofon: „Es muß - nicht nur im Theater, aber auch dort - einer das Sagen haben.“

Der Fall scheint klar: Nicht nur die Tatsache eines Leitungsteams ist manchen Ratsherren und -damen ein Dorn im Auge, sondern auch die Art des Theaters, die Emmanuel Bohn, Nikolaus Büchel und Kirsten Harms machen. Daß das ein explizit linkes Theater ist, sprechen die drei zwar nicht offen aus, wer aber die Inszenierungen der vergangenen Spielzeit aufmerksam verfolgt hat, wird dies bemerkt haben. In der nächsten Spielzeit wird das Trio, so es dann von den ewig Gestrigen im Rat und an der Abo-Kasse noch nicht geschasst wurde, erneut in dieser Richtung anecken, denn eine Auftragsarbeit über die Arbeiterbewegung auf den Kieler Werften steht auf dem Programm.

(jm)