Rost oder RWE - das ist hier die Frage

Der Streit um den dritten Kessel der Kieler Müllverbrennungsanlage (MVA) nimmt immer abstrusere Formen an. Zunächst wurde in der letzten Woche über den Verkauf des Kieler Müllentsorgers Schreiber (zwei Drittel des Mülls werden von diesem Unternehmen abgeholt) an den RWE-Konzern spekuliert. Gleichzeitig verhandelten „Umwelt“dezernent Schirmer und die MVA-Betreiber über eine Beteiligung der RWE-Tochter RWE Entsorung Nord GmbH an der MVA mit bis zu 49%. Schirmer begründete dieses Vorhaben fadenscheinig damit, daß es „von Vorteil sein könne, daß alles (Müllabfuhr und -verbrennung) in einer Hand liegt“. Jedoch spielen die Pyromanen bei diesen Verhandlungen mit verdeckten Karten. Der stellvertretende grüne Ratsfraktionsvorsitzende Lutz Oschmann forderte daraufhin, daß die Ratsversammlung „lückenlos über angebliche Pläne oder Strategiespiele für eine Veräußerung von Anteilen der MVA an Entsorgungsfirmen der Energiebranche informiert wird“.

Nun muß auch noch der Zustand des am 30.11. außer Betrieb genommenen 3. Kessels für die Rechtfertigungsversuche der Pyromanen herhalten. Das Problem ist, daß der Kessel bei längerer nicht Beheizung offenbar Rost ansetzt und damit die Option für seine Wiederinbetriebnahme nach Rundumüberholung, die Schirmer und Konsorten seit Monaten präferieren, entfällt. Nun kommt es darauf an, wie lange der Kessel konserviert werden kann. Sollten es nur zwei Jahre sein, wie bisher angenommen, so müßte die Entscheidung über Reparatur und späteres Wiederanfahren recht bald getroffen werden, ein treffliches Mittel, mit dem die Pyromanen die Ratsversammlung in Entscheidungsnotstand bringen könnten. Inzwischen gibt es aber Gerüchte, daß auch eine viel längere Konservierung möglich ist. Auch in dieser Frage ist wie in Sachen Verschacherung an die RWE die Informationspolitik der MVA-Betreiber, namentlich der Stadtwerkedirektoren Kregel-Olff und Eckehard Sauerbaum (Geschäftsführer der MVA), und auch des „Umwelt“dezernenten äußerst mangelhaft, wie Ende letzter Woche sämtliche Ratsfraktionen kritisierten. Lutz Oschmann sagte, es komme der Verdacht auf, „daß die Stadtwerke-Direktoren mit der Ratsversammlung Spielchen spielen, sie täuschen und unzureichend oder sogar falsch informieren, um Kessel III mit allen Mitteln einsatzbereit zu halten - für wen auch immer“. Deshalb müsse „ernsthaft erwogen werden, den Stadtwerkedirektoren Sauerbaum und Kregel-Olff die Geschäftsführung für die Müllverbrennung Kiel GmbH zu entziehen“. Auch Schirmer wurde von Oschmann scharf kritisiert. Ihm entgleite die Kontrolle und Aufsicht über die MVA offenbar immer mehr. Dafür sprächen auch die Gebühreninformationen des Abfallwirtschaftsbetriebs der Stadt Kiel an die Haushalte, weil darin nicht von einer „Option“ für die Wiederinbetriebnahme des 3. Kessels die Rede sei, sondern vielmehr der Eindruck erweckt werde, der Weiterbetrieb sei bereits beschlossen. Es stelle sich die Frage, ob der städtische Abfallwirtschaftsbetrieb überhaupt befugt sei, „mit zweifelhaften Argumenten die Werbetrommel für Kessel III zu rühren“. Bürgermeister Zimmer, so Oschmann weiter, hätte die Gebühreninformationen „in dieser Form nicht genehmigen dürfen“.
 
 

Zur Frage der Konservierung des 3. Kessels meinte Oschmann: „Es gibt für uns Bündnisgrüne keinen Grund, der Konservierung, die die Kieler GebührenzahlerInnen im schlechtesten Fall erneut einige Millionen DM kosten wird, zuzustimmen.“ Die FDP-Kreisvorsitzende Aschonmeit-Lücke unterstrich, die GebührenzahlerInnen würden mit 700.000 DM zur Kasse gebeten, wenn man den Kessel bis 1998 konservieren lasse.

Die Stadtwerkedirektoren Sauerbaum und Kregel-Olff machten währenddessen mit ihrer Entschuldigung für die fehlerhafte Informationspolitik bezüglich des Verfallsdatums des 3. Kessels deutlich, wie man Zahlen und Fakten so dreht, daß es paßt - man holt einfach eine neue, passendere Expertise ein: Die Techniker der MVA hätten zunächst plausibel begründet, daß der Kessel nur zwei Jahre ohne Schaden stillgelegt werden könne. Als aber absehbar gewesen sei, daß sich das Antragsverfahren in die Länge ziehen könnte, so zitierten die KN vom 31.1. die Stadtwerker, habe man eine zweite Prüfung durch den Kesselhersteller eingeleitet. (jm)