Urteil des Kieler Landesarbeitsgerichts:

Antisemitismus stört nicht den Betriebsfrieden

Antisemitische oder antidemokratische Äußerungen im Rahmen einer Tätigkeit des Öffentlichen Dienstes sind kein Kündigungsgrund. Eine entsprechende Entscheidung vom Oktober 1996 hat das Landesarbeitsgericht S.-H. in Kiel letzte Woche bekanntgegeben. Das Urteil räumt ein, daß derartige Äußerungen nur dann ein Grund für eine außerordentliche Kündigung seien, „wenn hierdurch der Betriebsfrieden gestört oder das Vertrauensverhältnis beeinträchtigt“ werde. Eine Störung des Betriebsfriedens liege jedoch nicht vor, wenn nur ein oder zwei Arbeitnehmer von den Äußerungen betroffen seien, sich aber zu keinen spontanen Reaktionen veranlaßt sähen. Eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung könne nicht ausgesprochen werden, „wenn der Arbeitnehmer aus vertretbaren Gründen annehmen konnte, daß sein Verhalten nicht vertragswidrig sei oder vom Arbeitgeber nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen werde“. Das heißt im Klartext, daß Antisemitismus im Öffentlichen Dienst durchaus geäußert werden darf, wenn die Kollegen und der Arbeitgeber sich nicht allzu sehr daran stoßen.

In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit wandte sich der stellvertretende Amtsleiter des Amtes für Wirtschaft, Verkehr und Hafen bei der Stadt Lübeck in einer Kündigungsschutzklage gegen eine von der Stadt ausgesprochene Kündigung. Die Kündigung war erfolgt, weil der Kläger in einer Unterhaltung mit zwei Mitarbeitern des Amtes über den Holocaust-Film gesagt hatte, daß es „so viele fette Juden gar nicht gegeben haben könne, wie sie umgebracht haben sollen“. In einem weiteren Gespräch mit einem Kollegen sagte der Kläger über seine Parteizugehörigkeit, daß „seine Partei 1945 verboten worden sei“. Aufgrund dieser und weiterer ähnlicher Äußerungen warf ihm der Arbeitgeber, die Stadt Lübeck, eine antisemitische und antidemokratische Grundeinstellung vor und kündigte ihm zunächst fristlos, später hilfsweise fristgerecht. Das Landesarbeitsgericht gab jedoch der Kündigungsschutzklage in vollem Umfang statt - mit obiger Begründung.

Wie milde doch die Justiz wieder einmal urteilt, wenn es um rechtsextreme Gesinnung geht. Dem Kieler Lehrer Thomas Bürger wäre es Anfang der 80er Jahre sicher besser ergangen, wenn Justitia auf dem linken Auge nicht so scharfsichtig gewesen wäre, wie sie auf dem rechten blind ist. Bürger war damals wegen Mitgliedschaft in der DKP vom Dienst suspendiert worden - und dies, obwohl er sich weder entsprechend im Unterricht geäußert hatte, noch ihm die DKP-Mitgliedschaft nachgewiesen werden konnte. (bam)