Aktienkurse und Arbeitslosenzahlen steigen

Während die Aktienkurse an der Frankfurter Börse von einem Höchststand zum nächsten jagen, erreicht auch die Arbeitslosigkeit in Deutschland „Rekordhöhen“. Die vom Arbeitsamtsbezirk Kiel veröffentlichten Zahlen sehen 14,6% der Kielerinnen und Kieler von Arbeitslosigkeit betroffen (Vormonat: 14,0%). Natürlich sind die 15.190 offiziell arbeitslos gemeldeten (Vormonat: 14.501) nicht die einzigen KielerInnen, die Arbeit suchen. Im Hauptamt Kiel - welches zusätzlich Randgebiete benachbarter Kreise wie z.B. Laboe und Strande einschließt, waren darüber hinaus 292 Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zwischengelagert. Über 1.000 Menschen im Hauptamt Kiel mußten im Januar mit Kurzarbeit vorliebnehmen. Hinzuzuzählen ist noch die sog. „Stille Reserve“, für die es keine konkreten Zahlen gibt. Angesichts der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und angesichts der Tatsache, daß keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bestehen, meldet sich dieser Teil der Arbeitssuchenden mangels Perspektive gar nicht erst beim Arbeitsamt. Zur „Stillen Reserve“ dürften derzeit in Kiel knapp 10.000 Menschen - überwiegend Frauen - gehören.

Als Gründe für den rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit nennt Arbeitsamtsdirektor Rolf Steil die „wirtschaftliche Situation“ der Betriebe und „den starken Frost.“ Im Gegensatz dazu sieht die Vereinigung der Industrie und Handelskammern (IHK) „trotz deutlicher Hinweise auf ein Ende der Talsohle“ im Bereich der konjunkturellen Entwicklung keine Indizien für eine Verbesserung der Arbeitsmarktsituation. „Nur 5% der Unternehmen (in Norddeutschland) wollen künftig mehr Personal einstellen, 58% gehen von einer konstanten Personaldecke aus und 37% wollen Personal abbauen“, heißt es in einer Pressererklärung.

Unter diesen Umständen wird es für Arbeitslose ein schwacher Trost sein, daß sich die Situation der schleswig-holsteinischen Industriebetriebe gegenüber dem Vorquartal verbessert hat. Vor allem bei „den Auslandsorders“, so die IHK, gibt es „dank der günstigen Wechselkursentwicklung der DM zum US-Dollar und der Konsolidierung der Nachfrage aus den EU-Ländern einen spürbaren Anzug der Nachfrage“. Von der verbesserten Ausfuhrsituation profitierten auch die Unternehmen des Groß- und Außenhandels. Krisensicher auch die Banken und Sparkassen: „Über 97% der Institute meinen, daß ihre Geschäftslage gut oder zumindest befriedigend verläuft“.

Krisenentwicklungen gibt es dagegen weiterhin im Einzelhandel - aufgrund des schlechten Konsumklimas - und in der Bauindustrie: „Ausbleibende Bauprojekte der öffentlichen Hand, Nachfrageflaute im Gewerbebau und wenig Impulse durch den privaten Wohnungsbau kennzeichnen weiterhin die Lage“. Die „tiefgreifende Krise“ der schleswig-holsteinischen Bauindustrie zeigt sich u.a. daran, daß „83% eine noch schlechtere Geschäftslage“ voraussagen.

Der Neuzugang von Arbeitslosen im Januar betrug 3.369. Im gleichen Zeitraum lag der „Abgang“ im Hauptamt Kiel bei 1.903 Menschen. Die höchsten Zugänge an Arbeitslosen kamen aus den Bereichen Baugewerbe, gefolgt von Dienstleistungen, Handel und verarbeitendem Gewerbe.

Von den 18.988 arbeitslos Gemeldeten waren 11.844 (62%) Männer und 7.144 (38%) Frauen. Eine differenzierte Untersuchung der von Arbeitslosigkeit betroffenen sozialen Gruppen liegt nur für den gesamten Arbeitsamtbezirk vor. Dieser umfaßt neben dem Hauptamt Kiel zusätzlich die Nebenämter Plön und Eckernförde. Demnach ist die Zahl jüngerer Arbeitsloser unter 20 leicht zurückgegangen. Die Zahl älterer Arbeitsloser über 55 stieg dagegen um 11,2%. Ebenso steigend ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen. Ihr Anteil betrug 28,2% aller Arbeitslosen. Weiterhin dramatisch gestaltet sich die Arbeitsmarktsituation der arbeitslosen AusländerInnen. Deren Arbeitlosenquote stieg von 28,2% auf jetzt 29,7%.

Unterdessen häufen sich die Hiobsbotschaften für den Kieler Arbeitsmarkt. Bei Linotype-Hell sollen - so Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Druckmaschinen AG - „weniger, also 385 Arbeitsplätze“ abgebaut werden. Linotype-Hell „erwirtschaftete“ 1996 einen Verlust in Höhe von 75 Mio. DM.

Inzwischen mußte auch die DIA-DST Industrie Automation GmbH (Kiel) beim Amtsgericht Kiel einen Vergleichsantrag stellen. Nach dem Konkurs der DST, die mit 45% an der DIA beteiligt war, konnte sich die im Dezember 1993 als Management Buyout aus der Krupp MaK (Kiel) hervorgegangene DIA nicht retten. 20 Arbeitsplätze der Firma, die Industrieroboter mit Software und mechanischem Zubehör ausrüstet, sind akut gefährdet.

Auch Hagenuk Faiveley wird innerhalb der nächsten sieben Monate 70 ihrer noch 240 Arbeitsplätze in Kiel abbauen. Als Ursache nannte der Geschäftsführer des Eisenbahnausrüsters, Weiß, „ruinöse“ Preise. Hagenuk Faiveley, ein führender Hersteller von Fahrzeugklimatechnik, war 1995 aus der vom Preussag-Konzern inzwischen vollständig aufgelösten Hagenuk-Gruppe hervorgegangen und zum 1. April 1995 von der Faiveley S.A. (Paris) übernommen worden. Die Freisetzungen sollen laut Weiß „sozialverträglich“ erfolgen. (usch)