Grünes Licht für Kilians Abriß

Am Montag, dem 10.2., fast genau ein Jahr nach dem Beschluß des Kieler Rats, beim Land einen Abrißantrag zu stellen, war es so weit: Das Kabinett beschloß - mit den Stimmen der grünen MinisterInnen - den Abriß des U-Bootbunkers „Kilian“ zugunsten der „großen Lösung“ des Ausbaus des Ostuferhafens um volle 11,5 Hektar. Bei der Pressekonferenz, die die für den Denkmalschutz verantwortliche Kultusministerin Gisela Böhrk bezeichnenderweise zusammen mit Wirtschaftsminister Peer Steinbrück abhielt, machte Böhrk den Kottau vor der Wirtschaft. Man sei sich zwar „der kulturpolitischen Bedeutung des Bauwerks als Mahnmal bewußt“, versperre sich jedoch angesichts von 4,6 Mio. Arbeitslosen nicht den „beschäftigungspolitischen Argumenten“. Die hatten die Hafenausbauer mehrfach in erpresserischer Manier vorgetragen. Nicht nur der Papiermulti Cellpap hatte offen mit Weggang gedroht, sollte der Bunker weiter dem Hafenausbau im Wege stehen. Diesen Erpressungsversuchen hat die Landesregierung nun nachgegeben. Wie vermutet wird, hat die eindeutige Pro-Abriß-Haltung des designierten SPD-Oberbürgermeisters Norbert Gansel (LinX berichtete in der letzten Ausgabe) den letzten Anstoß für die Entscheidung gegeben.

Zwar freuten sich die Hafenbauer, namentlich Hafendirektor Jörg Rüdel, sichtlich über den Beschluß, jedoch hat das Kabinett vor den Abriß eine ganze Menge Auflagen geschaltet. So muß die Stadt Kiel ein Finanzierungskonzept für die Investitionen in Höhe von 90 Mio. DM einschließlich der Kosten für den Abriß vorlegen. Für das Ostufer müsse eine Verkehrskonzept unter Beteiligung der Ortsbeiräte erstellt werden. So steht die Ampel für den Abrißbagger noch nicht ganz auf grün, sondern - getreu den Farben der Koalitionäre - auf rosa-grün.

Dieser einstweilige Schlußstrich unter einen jahrelangen Streit um die Bunkerruine, den v.a. die „Kieler Nachrichten“ mit einer sehr selektiven Auswahl von Leserbriefen immer wieder zugunsten des Abrisses angeheizt hatten, erzeugte bei den Befürwortern des Bunkererhalts Enttäuschung und Besorgnis. Die Auflagen scheinen dem Ortsbeirat Neumühlen-Dietrichsdorf zu schwammig, besonders die Formulierung „angemessene und möglichst schonende Anbindung des Ostuferhafens an das Verkehrsnetz im Satdtteil Neumühlen-Dietrichsdorf auch unter Nutzung der Schieneninfrastruktur“. Der Beiratsvorsitzende Sönke Petersen (SPD) bemängelte, daß schon in der Vergangenheit der Ortsbeirat viel zu wenig beteiligt worden sei. Die Bauverwaltung habe dem Beirat bisher immer nur fertige Pläne vorgelegt, zu denen nur noch ein Ja oder Nein möglich gewesen sei. Diese Bedenken thematisierte der Ortsbeirat in einem von allen Fraktionen unterzeichneten Brief an die Ministerpräsidentin.

Den Bündnisgrünen droht durch das Mittragen des Abrißbeschlusses seitens ihrer Kabinettsmitglieder eine Zerreißprobe, denn die grüne Ratsfraktion ist nach wie vor für den Erhalt des Bunkers. Der stellvertretende Vorsitzende Lutz Oschmann hatte schon vor drei Wochen versucht nachzuweisen, daß die erwarteten 500 oder sogar 800 neuen Arbeitsplätze im Ostuferhafen „dummes Zeug und reine Spekulation“ seien und daß auch mit einer Kompromißlösung bei Erhalt des Bunkers die geplanten Umschlagskapazitäten erreichbar seien (LinX berichtete). Böhrk dagegen sagte bei der Pressekonferenz, daß man 11 verschiedene Varianten des Hafenausbaus geprüft habe, in Betracht komme jedoch nur die „große Lösung“, was sie aber nicht näher begründete.

Unterdessen hat der „Mahnmal Kilian e.V.“ in Zusammenarbeit mit der Landesbibliothek am letzten Sonntag eine umfangreiche Ausstellung in der Landeshalle eröffnet, die bis zum 31.3. gezeigt wird. Titel: „Stolperstein der Geschichte - Die Ruine des Kieler U-Bootbunkers als Mahnmal und Herausforderung“. Die Ausstellung dokumentiert die Geschichte des „Kilian“, seine Verknüpfung mit dem Reichskriegshafen Kiel, Konzepte von KünstlerInnen für eine Ausgestaltung des Mahnmals, Entwürfe von Architekten zum Hafenausbau bei Erhaltung des Mahnmals und den Meinungsstreit um die Ruine. In einem zur Ausstellung herausgegebenen reich bebilderten Materialienband beleuchten diverse AutorInnen die Bedeutung des Mahnmals, auch im Spannungsfeld zu den weiteren „Denkmälern“ in Laboe und Möltenort. Die Ausstellung war ursprünglich für den letzten Oktober, den Jahrestag der Sprengung des Bunkers durch die Alliierten 1946, geplant. Mit der Eröffnung sechs Tage nach dem Abrißbeschluß gewinnt sie nun aber eine noch viel größere Bedeutung. Zu der Ausstellung gibt es ein Rahmenprogramm mit Vorträgen, Filmvorführungen und Diskussionsangeboten (siehe Terminkalender).

Jens Rönnau, Vorsitzender des Mahnmal-Vereins, bedauerte bei einer Pressekonferenz anläßlich der Ausstellungseröffnung den Beschluß „zutiefst“, jedoch sei „der Kampf um den Bunker noch nicht verloren“, da die Auflagen voraussichtlich schwer zu erfüllen seien. Der Landeskonservator Dr. Johannes Habich wollte als Landesbeamter den Beschluß nicht kommentieren, jedoch stehe der Bunker weiterhin unter Denkmalschutz, solange die mit dem Abrißbeschluß verbundenen Auflagen nicht erfüllt seien. Überdies, so Habich, sei die Ausstellung einmalig insofern, als noch nie in S.-H. für ein Denkmal „die Bedeutungsbreite derart ausführlich aufgefächert“ worden sei.

Deutliche Worte sagte Bernhard Schwichtenberg, Kunst-Professor an der Muthesius-Schule und Bunkerbefürworter. Der bewußte Montag sei „ein rabenschwarzer Tag für Kiel“. Er „bekenne sich zu dem Denkmal“. Der Platz, auf dem der Bunker steht, sei „nicht disponibel für die Politik, sondern sakrosankt“. Er habe „den Verdacht, daß man beim Abrißbeschluß zu sehr auf Wählerstimmen“ geschielt habe. Ähnlich eindeutig äußerte sich der Kunsthistoriker Prof. Dr. Adrian v. Buttlar. Im „Zeitalter von Feierabendkultur und Kulturindustrie“ seien Mahnmale von noch größerer Bedeutung für den Erhalt von Erinnerungsfähigkeit und Geschichte.

Jens Rönnau bemängelte ferner den Umgang mit den diversen vom Mahnmal Kilian e.V. ausgearbeiteten Kompromißvorschlägen für einen sanften Hafenausbau unter Einbeziehung des Mahnmals und seinen Ausbau zu einer internationalen Mahn- und Begegnungsstätte. Sie seien wenig beachtet worden, obwohl sie dazu gedacht gewesen seien, daß bei ihrer Diskussion „keine Seite ihr Gesicht verliert“. Ein Beispiel für den Umgang mit Kompromißvorschlägen findet sich in der Ausstellung. Der Kieler Architekt Jens Johannsen hatte in seiner Diplomarbeit ein Konzept für die Verbindung des Bunkers mit einem Neubau der Forschungswerft des GEOMAR-Instituts erarbeitet. Beziehungsreich nimmt sein Entwurf die architektonischen Elemente des Bunkers auf und stellt die Werft, auf der GEOMAR Forschungs-U-Boote bauen wollte, in den historischen Kontext des U-Boot-Bunkers, sozusagen militärischer U-Boot-Bau vs. U-Boot-Bau zu zivilen Zwecken. Beim Tag der Offenen Tür des GEOMAR-Instituts am 30.9.96 wollte Johannsen sein Modell vorstellen, erhielt jedoch von der GEOMAR-Institutsleitung ein generelles Ausstellungsverbot, das erst wenige Tage vor dem 30.9. wieder aufgehoben wurde.

Wie wenig gewünscht die Auseinandersetzung mit der Geschichte des „Kilian“ und Konzepten zu seinem Ausbau zu einem internationalen Mahnmal ist, zeigten auch die Schwierigkeiten zur Finanzierung der Ausstellung. Ein Sponsor aus der Wirtschaft ließ sich nicht finden - wen wundert‘s. Das Innenministerium bezuschußte lediglich den Materialienband aus Lotto-Mitteln. Daß die Ausstellung dennoch zustandekam, ist, so Jens Rönnau, vor allem den zahlreichen ehrenamtlichen HelferInnen und dem Engagement der Landesbibliothek zu verdanken. (jm/bam)