Kommentar:

„Ein einziger Arbeitsplatz“?

Der Kieler Chemiker Mins Minssen hat wie so viele in der letzten Woche auch einen Abgesang auf den „Kilian“ geschrieben, in dem er die Auseinandersetzung Denkmal vs. Hafenausbau - wenn auch etwas zu lyrisch so doch - auf den Punkt bringt. Es gelinge ihm vielleicht noch, zwischen den Trümmern Elfen auszumachen, bevor „die Welt ein einziger Arbeitsplatz sein wird und sonst gar nichts.“ Die Eiserne Lady auf der gegenüberliegenden Seite der Förde hat nichts mit Elfen am Hut, denn unter letzterem hat sich längst die Wirtschaftslobby eingenistet und sie, wie so viele PolitikerInnen, zu ihrer willigen Marionette gemacht. Und auch die grünen Kobolde haben seit Montag letzter Woche ihr Herz für Arbeitsplätze statt Elfen entdeckt. Im Kabinett stimmten auch sie dem Abriß zu.

„Bleibt der Bunker, müssen wir gehen“, hatten im Mai ’96 Kieler Kleinreeder verlauten lassen und wedelten mit ein paar dutzend Arbeitsverträgen, die sie dann in Kündigungen verwandeln „müßten“, namentlich jene Reeder, welche Schiffahrtsbrücken in den wiedereroberten Osten bauen und sich Kiel als strategisch günstigen Brückenkopf dafür erwählten. Sowas zieht. Da kann auch die grüne Ratsfraktion nicht gegen anstinken. Ihr stellvertretender Vorsitzender Lutz Oschmann kann Rechenspielchen über die wirklich zu erwartenden Arbeitsplätze aufstellen, so viel er will, der Mahnmal Kilian e.V. kann Kompromißvorschläge machen und windige Gutachten der Hafenbauer anzweifeln, so viel er will. Der Bunker muß trotzdem weg - damit die Ausbeuter von heute nicht gehen und die von morgen endlich kommen.

Aber lassen wir uns gar nicht auf die Standortpropaganda der Cellpappkameraden ein. In Wahrheit geht es nach wie vor nicht wirklich um Arbeitsplätze. Wie inzwischen an fast allen Fronten der Politik sind sie nur das Etikett, unter dem man die wirklichen Beweggründe verbirgt. Hier: Das Mahnmal ist ein lästiger „Stolperstein“, und zwar nicht nur für den Bau von Containerstellfläche, sondern vor allem für diejenigen, die aus gutem Grund das Mahnen ad acta legen wollen. Hält Kiel - und ihm voran sein künftiger Oberbürgermeister - doch krampfhaft am Standortvorteil Reichskriegshafen fest. Aber ein moderner Reichskriegshafen soll es sein, einer für „Frieden“ erzwingende Krisenreaktionskräfte zu Wasser. Da paßt natürlich das Bild von Wilhelms und Adolfs Vorposten an der Ostsee nicht, an das der „Kilian“ gemahnt. Es paßt deshalb nicht, weil gerade der Streit um „Kilian“ auf Seiten seiner Gegner die Kontinuität von Kanonenbootpolitik und Rühes Marine, von „Volk ohne Raum“ und „Wirtschaftsanbindung an den Osten“ aufzeigt.

Mehr noch: Sollte „Kilian“ nach „Erfüllung“ der schwammigen Auflagen, die das Kabinett mit seinem Abriß verbunden hat, wirklich weichen, so wäre dieses Schleifen einer letzten Bastion der Erinnerung selbst noch Mahnmal genug. Also: Wenn die Abrißbirne kommt, Videokameras bereithalten. (jm)