Betrieb & Gewerkschaft

Postler streiken!

In der letzten Woche machten die Beschäftigten der gelben Post auf die weiteren Deregulierungsbemühungen der Bundesregierung aufmerksam. Am Freitag und Samstag lief im Kieler Briefzentrum nichts mehr. Am Samstag wurden zusätzlich die Post-Schalter geschlossen, an einer Kundgebung am Europaplatz nahmen über 500 Beschäftigte teil.

Anlaß für die Proteste der Postlerinnen und Postler sind die anstehenden Bemühungen der Bundesregierung, nach der Postreform II nun auch durch ein neues Postgesetz die totale Liberalisierung des Postverkehrs durchzusetzen.

Schon die Privatisierung der Deutschen Bundespost, die mit Hilfe einer Verfassungsänderung mit der SPD und Teilen der Grünen durchgesetzt worden ist, hat zu einem gigantischen Arbeitsplatzabbau geführt. Seit 1989 sind 70.000 Arbeitsplätze vernichtet worden, weitere 35.000 sollen bis zum Jahr 2000 verschwinden. In den vergangenen Jahren sind mehr als die Hälfte der Postfilialen geschlossen worden, in den nächsten Jahren droht 8.000 weiteren das Aus. Über das Jahr 2000 hinaus, gibt es nur eine Bestandsgarantie für 5.000 der urspünglich knapp 30.000 Filialen.

Das anstehende neue Postgesetz soll eigens für die Förderung des Wettbewerbes verabschiedet werden (§ 1 des Postgesetzentwurfes). Dabei brauchen potentielle private Anbieter keinerlei soziale Standards und auch keine Dienstleistungsgarantien einzuhalten. Sozialversicherungspflicht und Ausschluß von Scheinselbständigkeit sowie Tarifbindung und umfassender Kündigungsschutz sind ebenso wenig Voraussetzung für private Anbieter wie ein qualitativ hochwertiger, flächendeckender Universaldienst zu erschwinglichen Preisen.

Unter diesen Bedinungen gerät die Deutsche Post AG, die diese Standards zu erfüllen hat, schnell ins Hintertreffen. Private Anbieter picken sich die profitablen „Rosinen“ aus dem Beförderungskuchen (Firmenpost innerhalb von Ballungsgebieten), und die Deutsche Post AG darf weiterhin Briefe von der Hallig Hooge nach Amrum befördern. Weiteres Manko der Post AG: Ihr wurden aus der Postreform II milliardenschwere Altverpflichtungen aufgebürdet, u.a. für Pensionszahlungen. Die Folgen einer weitgehenden Liberalisierung wären unter diesen Ausgangsbedingungen katastrophal. „Schon jetzt“, so DPG-Bezirksleiter Werner Schulte, „stehen alternative Zustelldienste mit Billigkräften ohne Sozialversicherungspflicht und schlechter Ausbildung in den Startlöchern.“

Wieder einmal die FDP ist bei der anstehenden Liberalisierung der Vorreiter. Während Postminister Bötsch zumindest in den nächsten Jahren noch eine Exklusivlizenz für die Post AG bei Briefen mit einem Gewicht von 350 Gramm erhalten will, strebt die FDP die völlige Liberalisierung an. Als „Kompromiß“ erscheint die vollständige Liberalisierung ab einem Gewicht von 100 Gramm nach einer Übergangsfrist als wahrscheinlich. (usch)