Pressemitteilung Kiel, den 15.2.97

RechtsextremistInnen im Kieler RCDS

Hochschulgruppen und Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein distanzieren sich von CDU-Studierendengruppe

Um die Kieler CDU-Studierendengruppe RCDS (Ring Christlich Demokratischer Studenten) ist eine heftige Auseinandersetzung entbrannt. In einem gemeinsamen Flugblatt haben sich letzte Woche der schleswig-holsteinische Landesverband Bündnis 90/Die Grünen, diverse Hochschulgruppen und die Evangelische StudentInnengemeinde gegen „Rechtsextremismus an der Uni“ gewandt.

Dabei geht es insbesondere um den stellvertretenden Landesvorsitzenden des RCDS, Rüdiger Dorff, der zugleich „Bundesführer“ der rechtsextremen Jugendorganisation „Bund Heimattreuer Jugend - der Freibund e.V.“ ist. Zu den Aktivitäten des „Freibunds“ gehört die Teilnahme an „Singewettstreiten“, wobei (wie Dorff gegenüber Mitgliedern der Grünen HSG offen zugab) auch „Wenn alle untreu werden“, das Treuelied der SS-Rekruten, zum Repertoire zählt. Zudem finden sich Anzeigen des Freibunds in der rechtsextremen Zeitung „Junge Freiheit“.

Neben Dorff finden sich weitere Personen aus dem extrem rechten Umfeld im Kieler RCDS, neben Burschenschaftern auch einige Mitglieder der „Deutschen Hochschulgilde Theodor Storm zu Kiel“. Diese völkisch-nationalistische Verbindung ist in der „Deutschen Gildenschaft“ (DG) organisiert. Die DG gilt unter den studentischen Verbindungen als elitäre Kleinstgemeinschaft, und ihre Mitglieder nehmen Führungsaufgaben in der Sudetendeutschen Landsmannschaft und dem Witikobund wahr. Maßgeblichen Einfluß hat die DG auf die „neu“-rechten Zeitschriften „Criticon“ und „Junge Freiheit“. Dieter Stein, Chefredakteur der „Jungen Freiheit“, stammt aus der DG-Verbindung „Deutsche Hochschulgilde Balmung zu Freiburg“.

Die Kieler Gildenschaft verbreitete am 13.2. ein Flugblatt, in dem das Bombardement Dresdens 1945 in der Weise thematisiert wird, daß der „deutschen Opfer” des „systematischen Massenmords aus der Luft” gedacht wird. In offen betriebenem Geschichtsrevisionismus bleiben die deutsche Kriegsschuld, der Holocaust und die mörderische Kriegsführung der Wehrmacht ohne jede Erwähnung. In Form von NSDAP-Kriegsberichterstattung wird reißerisch das Schicksal der „hilflosen deutschen Frauen, Kinder, Alten und Verwundeten”, die „aus Schlesien und anderen Teilen Ostdeutschlands” nach Dresden geflohen waren, geschildert und die alliierten Bomberpiloten als blindwütige Mörderbanden, die „auf alles feuerten, was sich noch bewegte” diffamiert.

Aber auch der Kieler RCDS scheut nicht davor zurück, eindeutig rechtsextreme Positionen zu verbreiten, und führte im Wintersemester 1996/97 drei Veranstaltungen mit ReferentInnen bzw. Themen der extremen Rechten durch. So fand im November ein Vortrag des Freibund-Führers und RCDS-Landesvizes Rüdiger Dorff zum Thema „Bündische Jugend“ statt. Das RCDS-Büro wurde vor dem Vortrag von ca. 60 AntifaschistInnen blockiert. Die Polizei löste diese Blockade unter Einsatz von Hunden auf. Gegen zwei Mitglieder des Kieler AStA, die sich an dem Abend vor dem Büro aufhielten, aber nicht blockierten, hat der RCDS offenbar Strafanzeigen gestellt. Die Beklagten haben am 15.2. polizeiliche Vorladungen „wegen Verdachts der Nötigung“ erhalten. Die nächste rechts-außen Veranstaltung führte der RCDS mit dem Titel „Wer sind die 89er?“ am 14.1. durch. In der Einladung des RCDS werden u.a. der „Junge Freiheit“-Autor Roland Bubik und der Referent der „JF-Sommeruniversität 1995“, Haimo Schwilk, zitiert.

Für öffentlichen Protest sorgte die Einladung des sächsischen Stasi-Beauftragten Sigmar Faust am 21.1. in das Audimax der Kieler Universität. Der AStA, die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Ursula Kähler, und das Antifa-Uni-Plenum forderten das Rektorat der Uni Kiel auf, wegen Kontakten Fausts in die rechtsextreme Szene und der Unterstützung einer KZ-Aufseherin als „SED-Opfer“, für diesen Vortrag keine Räumlickeiten zur Verfügung zu stellen. Das Rektorat sah jedoch „keinen Anlaß für Verfassungsfeindlichkeit im Sinne eines Rechtsextremismus“ und damit keinen Grund, die Raumvergabe an den RCDS zurückzuziehen. Am Tage des Vortrags tauchten in der Lokalzeitung „Kieler Nachrichten“ und an der Universität Absagen auf, die sich allerdings als Fälschungen bzw. Falschmeldungen herausstellten. Am Abend der Veranstaltung verweigerte eine Ordnergruppe des RCDS dann 20 Interessierten, darunter auch Mitgliedern des Kieler AStA, den Einlaß zu dem Faust-Vortrag. Zu Auseinandersetzungen kam es dabei nicht.

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Anlage:

Gemeinsame Erklärung gegen Rechtsextremismus an der Uni Kiel

„Mitteldeutschland“, „Junge Freiheit“ und Veranstaltungsthemen aus dem Umfeld der „Neuen Rechten“ - solche Inhalte werden seit längerer Zeit von einigen Mitgliedern der Kieler Hochschulgruppe des RCDS vertreten. Mit diesem Flugblatt soll dem RCDS unmißverständlich deutlich gemacht werden, daß dies bei den restlichen Hochschulgruppen der CAU nicht auf Gleichgültigkeit oder gar stillschweigende Zustimmung stößt, sondern daß wir gemeinsam und entschlossen mit demokratischen Mitteln dagegen vorgehen werden! Die größte Aufregung verursachte in den letzten Monaten die Person Rüdiger Dorffs und der von ihm repräsentierte „Der Freibund e.V.“. Rüdiger Dorff fungiert als „Bundesführer“ (!) der Vereinigung und hat bei den letzten Stupa-Wahlen auf der Liste des RCDS kandidiert. Am 19. November letzten Jahres führte der RCDS eine Veranstaltung durch, auf der Rüdiger Dorff als Referent auftrat. Im Vorfeld gab es schwere Vorwürfe des AntifaUni-Plenums gegen den „Freibund“ - eine inhaltliche Erwiderung des RCDS blieb bis heute.aus. Im Dezember letzten Jahres kam es dann zu einem Treffen Rüdiger Dorffs mit drei Mitgliedern der HSG Bündnis 90/Die Grünen. Intention war es, ihm eine Möglichkeit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Die Konditionen des Treffens waren beiden Seiten vorher klar - eben auch eine mögliche öffentliche Reaktion im nachhinein, wie sie nun mit diesem Flugblatt erfolgt.

Vorläufer des „Freibundes“ war der „Bund Heimattreuer Jugend“, der eine eindeutig faschistische Vergangenheit aufweist und die an die Hitlerjugend erinnernde Abkürzung BHJ verwandte.

Von dieser unrühmlichen Vergangenheit hat sich Rüdiger Dorff in dem besagtem Gespräch distanziert. Damit richtet sich das Augemerk jedoch auf die Positionen, die der „Freibund“ heute vertritt. Diese sind im Folgenden aufgelistet:

- Die Aktivitäten des „Freibundes“ bestehen heute einerseits in der Durchführung von Zeltlagern, Sonnenwendfeiern u.ä. sowie andererseits in der Herausgabe der Zeitschrift „na klar!“. Hierbei wird den 7- bis 25jährigen Mitgliedern nach Aussage Rüdiger Dorffs „keine Ideologie“ verabreicht. Fragt sich nur, warum dann 1996 Referenten wie Baldur Springmann eingeladen wurden. Dieser ist Mitglied des „Weltbundes zum Schutze des Lebens“, in dessen vereinseigener Tagungsstätte Collegium Humanum sich u.a. 1984 das von Michael Kühnen geleitete „Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“ traf und 1995 der schweizerische Holocaust-Leugner Bernhard Schaub referierte. Vielleicht kommt die Verbindung ja noch daher, daß der „Freibund“ 1989 seine gesamtes Seminarprogramm an eben diesem Ort abhielt?!

Als ebensowenig ideologiefrei erscheint uns eine Äußerung wie die folgende, die sich in der „na klar!“ findet: „Die Sieger des Krieges weigern sich weiterhin, das einstmals auf der Grundlage des Völkerrechts abgeschlossene Münchner Abkommen anzuerkennen.“ Zur Erinnerung: Mit dem Münchner Abkommen besiegelten die Westmächte die Abtretung großer Teile der damaligen Tschechoslowakei an das Deutsche Reich. Die Tschechoslowakei war bei dieser Entscheidung nicht anwesend, und die Zustimmung der Westmächte ist auf die unverhohlene Drohung des Deutschen Reiches, ansonsten militärisch die Grenzen zu verändern, zurück zu führen. Wer heute die Anerkennung dieses „Abkommens“ fordert, wird wissen, in wessen Tradition er oder sie sich begibt ...

- Anzeigen des „Freibundes“ fanden sich in den letzten Monaten immer wieder in der „Jungen Freiheit“. Diese ist das momentan größte Organ der „Neuen Rechten“. In den Artikeln wird zwar jeder offen faschistische Bezug vermieden. Äußerungen wie „... die späteren Generationen werden ... radikale Forderungen gegen die Nachbarn erheben ... Die tschechische Führung wäre daher gut beraten, so rasch wie möglich ein überzeugendes Versöhnungs- und Wiedergutmachungsangebot zu machen ...“ sollten jedoch aufmerksam machen. Ohne Maske präsentiert sich die „Junge Freiheit“ dann auf ihrem verlagseigenen Büchermarkt. Hier sind u.a. Bücher über „Die Militäreliten des Dritten Reiches“ und eine Biographie über den „Volkstribun Jörg Haider“ erhältlich. Rüdiger Dorff hat damit keine Probleme: Für ihn ist die „Junge Freiheit“ keine rechtsextreme Zeitung, „Der Freibund“ werde auch weiterhin in ihr inserieren.

Da ist es nur konsequent, wenn als Interviewpartner der „na klar!“ ausgerechnet der Chefredakteur der „Jungen Freiheit“, Dieter Stein, ausgewählt wird.

- In dieses Bild paßt die von Rüdiger Dorff selbstverständlich verwendete Bezeichnung „Mitteldeutschland“ für das Gebiet der neuen Bundesländer. Diese will er als rein historisch verstanden wissen. Es tut uns leid, aber das können wir nicht nachvollziehen. Wenn jemand einen Ausdruck ständig (nicht im Rahmen eines bestimmten Kontextes) verwendet, dann steht er oder sie auch hinter der Bedeutung dieses Begriffes. Zumindest ist das bei uns so ...

- Zu den Aktivitäten des „Freibundes“ gehört auch die Teilnahme an „Singewettstreiten“. An dieser Stelle mußte Rüdiger Dorff uns dann zugestehen, daß bei diesen Anlässen u.a. das Lied „Wenn alle untreu werden“ zum Besten gegeben wird - das Treuelied der SS-Rekruten! Dies habe auch „Der Freibund“ bereits gesungen, und auch in Zukunft sei dies nicht auszuschließen. Gleiches gelte für alle drei Strophen der Nationalhymne.

- Der mögliche Schluß, daß es sich bei Rüdiger Dorff um einen Einzelfall im Kieler RCDS handelt, erweist sich als Trugschluß.

Mindestens drei seiner Mitglieder gehören gleichzeitig der „Kieler Hochschulgilde Theodor Storm“ an. Diese ist Teil der „Deutschen Gildenschaft“, die es als ihre Aufgabe ansieht, ihre Mitglieder zum „dienenden Führen“ zu erziehen. „Führen“ meint hierbei das Herausbilden einer Elite, die dann die „Führungsaufgaben“ in der Gesellschaft übernehmen soll. „Dienend“ bezieht sich auf die Unterordnung des Individuums unter das „Volksganze“: „... Berufensein zu Führungsaufgaben haben wir stets so verstanden, daß es die Fähigkeit einschließt, sich selbst ein- und unterzuordnen, nämlich sich selbst in die Gemeinschaft der Korporationen und die akademische Gemeinschaft dem höheren Ziel der deutschen Selbstbehauptung ...“.

Vor diesem zutiefst undemokratischen Hintergrund verwundert es nicht, daß mindestens 4 der 12 Redaktionsmitglieder der „Jungen Freiheit“ der „Deutschen Gildenschaft“ angehören.

Für die Nähe einiger Mitglieder des RCDS zur „Jungen Freiheit“ spricht auch der Semesterplan der Gruppe. So wurde neben der Veranstaltung mit Rüdiger Dorff auch ein Vortrag über „Die 89er“ angekündigt. Für diesen wurde u.a. mit einem Zitat von Roland Bubik geworben, dem Redakteur der Zeitung und Autor des „Jungen Freiheit-Buchs“ (Eigenwerbung der „Jungen Freiheit“).

Im Studierendenparlament der Uni haben Mitglieder des RCDS auf entsprechende Fragen lautstark zum Ausdruck gegeben, „ob es denn verboten“ sei, die neuen Bundesländer als „Mitteldeutschland“ zu bezeichnen.

Die hier erhobenen Vorwürfe richten sich nicht gegen alle Mitglieder des Kieler RCDS. Wir halten es jedoch für inakzeptabel, daß solche Meinungen in der Gruppe geduldet werden und Rüdiger Dorff darüber hinaus sogar noch das Amt des stellvertretenden RCDS-Landesvorsitzenden inne hat.

Angesichts dieser Entwicklung fordern die unterzeichnenden Gruppen vom RCDS:
- Distanzierung von Rüdiger Dorff und allen weiteren Personen, die oben genannte Ansichten teilen!
- Eine öffentliche Distanzierung von der „Jungen Freiheit“ und eine klare Abgrenzung zu der „Neuen Rechten“ und allen anderen „alten“ rechtsextremen Ansichten! Einer weiteren Verbreitung rechtsextremer Inhalte an der Uni werden wir nicht tatenlos zusehen!

HSG und Landesverband Bündnis 90/Die Grünen, Juso HSG, Evangelische StudentInnengemeinde (ESG), Fachschaftsliste HSG, Antifa-Uni-Plenum, Kieler Uni Linke (KUL), Graue Panther HSG, Pälikan, Tönnies-Kreis

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Kontakt für Nachfragen:

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Tel.: Mo ab 19 Uhr: 0431-880-1175

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