„Die anderen sind etwas gleicher“

Sinti und Roma aus S.-H. fordern Aufnahme in Minderheitenschutz der Landesverfassung

Am 7.2. trafen sich Sinti und Roma aus Schleswig-Holstein sowie internationale VertreterInnen ihrer Minderheit zu einem Kongreß im Landeshaus, um über die Benachteiligungen, die die Sinti und Roma in Deutschland nach wie vor erfahren, zu beraten. Anlaß war die geplante Änderung des Minderheitenartikels der Landesverfassung (Art. 5, Abs. 2), die noch in dieser Wahlperiode erfolgen soll. Die Sinti und Roma fordern eine explizite Erwähnung ihrer Minderheit neben Dänen und Friesen im Minderheitenartikel. Seitens der rosa-grünen Koalition gibt es dagegen keine Bedenken. Jedoch ist für die entsprechende Änderung der Verfassung eine 2/3-Mehrheit im Landtag erforderlich, die ohne Stimmen aus der CDU nicht möglich ist. Letztere aber, namentlich ihr Fraktionsvorsitzender Ottfried Hennig, zeigt dazu „keine Geneigtheit“, wie es bei einer Pressekonferenz anläßlich des Sinti- und Roma-Kongresses der schleswig-holsteinische Grenzlandbeauftragte Kurt Schulz ausdrückte.

Die Einwände gegen eine Aufnahme der Sinti und Roma in den Minderheitenartikel machen sich getreu der deutschen Volkszugehörigkeitsideologie, beruhend auf Blut und Boden, am fehlenden „festen Siedlungsgebiet“ der Sinti und Roma fest. Mattäus Weiß, Landesvorsitzender der Sinti und Roma in S.-H., kritisierte besonders diesen Einwand, indem er darauf aufmerksam machte, daß die Minderheit bereits seit Jahrhunderten in Deutschland lebe und daß es nicht ihre Schuld sei, wenn sie immer wieder von Deutschen vertrieben worden sei. Überdies wandte er sich gegen die Bezeichnung „Volksgruppe“. Die Sinti und Roma seien eine Minderheit ebenso wie Friesen und Dänen. Die Bezeichnung „Volksgruppe“ dagegen enthalte eben das völkische Element, das zu ihrer Ausgrenzung benutzt werde. Zwar seien die Sinti und Roma im jüngsten Minderheitenbericht der Landesregierung explizit erwähnt, und ihre Gleichbehandlung sei festgeschrieben, doch seien die anderen Minderheiten „immer etwas gleicher“.


Über die Gleichberechtigung hinaus fordern die Sinti und Roma Schutz und Förderung. Damit forderten sie das, „was ihr Recht ist“, sagte Weiß. Nach wie vor würden Kinder von Sinti und Roma in den Schulen nach 3 Monaten einer Prüfung unterzogen und bei mangelnder Beherrschung der deutschen Sprache (ihre Muttersprache ist Romanis) in Sonderschulen abgeschoben. Die Prüfung erfolge ohne jede Rechtsgrundlage. Eine spezielle Förderung von Sprache und Kultur sei notwendig, für die Kinder müsse z.B. auch muttersprachlicher Unterricht angeboten werden. In Kiel gebe es bisher lediglich zwei Mediatoren an der Matthias-Claudius-Schule, die Romanis unterrichten könnten. Nach eineinhalb Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit hätten diese Lehrkräfte erst vor einem halben Jahr einen Jahresvertrag erhalten. Ferner müsse es Radioprogramme in Romanis geben und eine eigene Frauenbeauftragte für die Sinti und Roma.

Bei den europäischen Nachbarn ist man schon weiter. In den Niederlanden ist das Romanis seit August letzten Jahres als „nicht an ein Land gebundene Sprache“ anerkannt und wird auch in den Schulen unterrichtet. In S.-H., so Weiß, sei die Anerkennung der Sinti und Roma als Minderheit im Vergleich zu anderen Bundesländern schon relativ fortgeschritten. Umso mehr sei es jetzt notwendig, in S.-H. mit Schutz und Förderung der Minderheit einen „Pilotversuch zu starten“. Bisher, so der Grenzlandbeauftragte Schulz, sind für die Förderung der Kultur der Sinti und Roma im Landesetat 135.000 DM ausgewiesen. Weitergehende Forderungen seien bisher nicht an die Landesregierung herangetragen worden.

Ein Paradebeispiel für den selektiven Umgang mit der Minderheit der Sinti und Roma gaben bei der Pressekonferenz übrigens die Fragen der Journalisten bürgerlicher Medien. Mehrmals wurde nach der Anzahl der Minderheit gefragt, natürlich „völlig wertfrei“. Auch wenn die Minderheit der Sinti und Roma mit 5-6.000 in S.-H. (50-60.000 in der BRD) im Vergleich zu Friesen (10.000) und Dänen (60.000) relativ klein sei, so könne dies kein Grund für die mangelnde Förderung sein, entgegnete Weiß. Die Anzahldiskussion diene immer wieder zur Ausgrenzung. Es gehe hier „nicht um Zahlen, sondern um Menschen“. Weiß weiter: „Auch im KZ wurden Menschen zu Zahlen gemacht - sie tragen sie heute noch an ihrem Körper.“

Im jüngst eingerichteten Europäischen Zentrum für Minderheitenfragen in Flensburg (EZM - LinX berichtete) sind die Sinti und Roma bisher unberücksichtigt. Kurt Schulz sagte auf Nachfrage, daß die Sinti und Roma seines Wissens ins EZM aufgenommen werden wollten. Die Entscheidung darüber sei jedoch nicht Sache der Landesregierung, sondern des EZM-Vorstandes. Weiß hingegen wußte nichts von einem Aufnahmeantrag. Man wisse noch nicht, „was vom EZM zu halten ist“. (jm)