Die Gastfreundschaft der CDU

Mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen verurteilte die Kieler Ratsversammlung am 20.2. Kanthers neueste Schikane gegen Kinder von Einwanderern. Wie berichtet, hatte der Bundesinnenminister Mitte Januar ohne Vorwarnung für Kinder unter 16 Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei, Marokko und Tunesien die Visumspflicht eingeführt. Der Verordnung muß der Bundesrat allerdings bis zum 15.4. zustimmen, wenn sie weiter gelten soll. In einer vom Rat verabschiedeten Resolution heißt es unter anderem:

„Diese neue Regelung hat zur Konsequenz, daß bundesweit 800.000 Kinder und Jugendliche insbesondere türkischer Herkunft, die einen Rechtsanspruch darauf haben, in Deutschland leben zu dürfen, eine Aufenthaltsgenehmigung benötigen. In Kiel sind insgesamt ca. 2.200 Kinder und Jugendliche betroffen.“ Und weiter:

„1. Die Ratsversammlung der Stadt Kiel fordert das Bundesinnenministerium auf, die ’Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes’ vom 11.1.1997 zurückzunehmen.

2. Die Ratsversammlung der Stadt Kiel appelliert an den Bundesrat, der geplanten Änderung des Ausländerrechts nicht zuzustimmen.

3. Die Ratsversammlung versichert den in Kiel lebenden, von der Neuregelung betroffenen ausländischen Einwohnerinnen und Einwohnern, daß sie zu Kiel gehören und ein fester Bestandteil der örtlichen Gesellschaft und Kultur sind.“

Die Punkte 1 bis 3 wurden getrennt abgestimmt. Den ersten beiden verweigerten CDU und SUK die Zustimmung. CDU-Fraktionsvorsitzender Arne Wulf begründete das damit, daß die Bundesregierung durch das Schengen-Abkommen zu diesem Schritt gezwungen sei. „Unsere Gastfreundschaft“ werde aber durch die Visumspflicht nicht in Frage gestellt. Im übrigen macht er in den 2068 Jugendlichen, die im letzten Jahr unbegleitet in die BRD einreisten, ein offensichtlich erhebliches Problem aus. Eltern würden da ihre Kinder „in die Wiege des Sozialstaats packen“.

Auch SPD-Ratsherr Konrad Wetzel meinte zwar in der Begründung des Antrags, die Einbürgerung müsse erleichtert werden, sprach aber gleichzeitig von Mißbrauch, der mit dem bestehenden Recht betrieben werde. Insgesamt brachte er es in seiner kurzen Rede fertig, vier mal das Wort „Mißbrauch“ in den Mund zu nehmen.

Derweil hat das EU-Parlament Deutschland wegen der Visumspflicht scharf kritisiert. Aus der SPD kommen hingegen Signale, daß man sich im Bundesrat nicht grundsätzlich sperren werde. Die Innenpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion Otto Schily und Cornelie Sonntag-Wolgast forderten zwar eine Aufhebung der Visumspflicht, stimmen aber einem Visumszwang bei Ersteinreise zu. Nach ihren Vorstellungen müßten sich Einwandererkinder bei einer Ausreise vorher schriftlich bestätigen lassen, daß sie in Deutschland aufenthaltsberechtigt sind. Gleichzeitig meinten die beiden SPD-Politiker gegenüber der Presse, daß ihre Position sich nicht mit der einiger sozialdemokratischer Innenminister decke. Diese neigten eher zu Kanthers Vorstellungen. (wop)