Staatsmacht unerwünscht

Im Vorfeld des Castor-Transports ins niedersächsische Wendland hat es in den Gemeinden um Gorleben zahlreiche Beschlüsse gegen die Zumutungen der Bundes- und Landesregierung gegeben. Seit den 96er Kommunalwahlen sind fast überall die einstigen CDU-Mehrheiten gekippt. Die meisten Gemeinderäte und der Kreistag werden von Anti-Atom-Mehrheiten beherrscht, zumeist bestehend aus den Grünen, der SPD und der Unabhängigen Wählergemeinschaft. Im Kreistag ist auch die FDP auf Anti-Atom-Kurs. In mancher Kommunalvertretung appellierten selbst die Christdemokraten mit an die Regierungen, den Transport zu stoppen.

Vielfach blieb es allerdings nicht bei Appellen, sondern die gewählten Vertreter beschlossen auch, keine Turnhallen und ähnliches für die Unterbringung von Polizei und Grenzschutz zur Verfügung zu stellen. Der Wasserversorgungsverband gab bekannt, daß es für die Wasserwerfer kein Wasser aus den Hydranten geben werde. Die Bezirksregierung in Lüneburg verfügte daraufhin die Beschlagnahme von Unterkünften. In Dannenberg war das für rund 300 Schüler Anlaß, ihre Turnhalle zu besetzen.

Wir dokumentieren im Folgenden stellvertretend für viele einen Beschluß des Kreistags Lüchow-Dannenberg. (wop)
 

l. Der Kreistag des Landkreises Lüchow-Dannenberg fordert die Bundesregierung und die Niedersächsische Landesregierung auf, den Transport weiterer Castor-Behälter nach Gorleben einzustellen.

2. Desweiteren verlangt der Kreistag, daß die Bundesregierung in Verantwortung für Leben und Gesundheit aller Bürger die Initiative ergreift, um in Gesprächen und Verhandlungen mit der Energiewirtschaft endlich mit dem Ausstieg aus der Atomtechnik zu beginnen.

3. Der Kreistag fordert das Niedersächsische Umweltministerium auf, die Meßdaten des am 8.5.1996 nach Gorleben transportierten Castor-Behälters vom Typ „TS 28 V“ zur Verfügung zu stellen, und zwar insbesondere die Ergebnisse der Dosisleistungsmessungen im Deckelbereich des Behälters.

4. Weiterhin verlangt der Kreistag vom Niedersächsischen Umweltministerium Auskunft darüber, wieweit die konkreten Planungen hinsichtlich der Anfang 1996 in Aussicht gestellten Transportstudie gediehen sind, in der die gesundheitlichen Risiken der Castor-Transporte unter Berücksichtigung neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse untersucht werden sollen.

5. Der Kreistag des Landkreises Lüchow-Dannenberg unterstützt hiermit ausdrücklich und aktiv die friedlichen Protestaktionen gegen den geplanten Castor-Transport im besonderen sowie gegen Atommüll-Transporte im allgemeinen. Er ist der Meinung, daß alle, sowohl hiesige als auch auswärtige Demonstrationsteilnehmer, die in friedlicher Absicht ihr Demonstrations- und Widerstandsrecht wahrnehmen, den Menschen in Lüchow-Dannenberg einen großen Dienst erweisen, indem sie das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit schützen helfen. Außerdem wird mit den friedlichen Protesten lebendige Demokratie ausgeübt, auf die unser Gemeinwesen in zunehmendem Maße angewiesen sein wird.

6. Der Kreistag verwahrt sich ausdrücklich gegen die Versuche von staatlichen Stellen wie z.B. Verfassungsschutz und Teilen der Presse, den Widerstand in Lüchow -Dannenberg zu kriminalisieren und Teile davon in die Nähe des Terrorismus zu rücken.

7. Der Kreistag fordert die für die Einsatzkräfte verantwortlichen Politiker, insbesondere Bundesinnenminister Kanther und den niedersächsischen Innenminister Glogowski auf, zum Prinzip der Verhältnismäßigkeit zurückzukehren und endlich mit der angekündigten Deeskalation ernst zu machen.