Das Klima ändert sich

Während im Wendland eine irrwitzige Energiepolitik mit Millionenaufwand durchgeknüppelt wurde, stritt man sich in Bonn mal wieder auf einem internationalen Treffen über die Klimapolitik. Im Dezember soll in Japan die nächste Weltklimakonferenz stattfinden, doch noch immer ist man sich über wesentliche Punkte eines neuen Abkommens uneinig. Vor allem die Industriestaaten sperren sich gegen einschneidende Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgase, die vor allem aus der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen. So wird es immer unwahrscheinlicher, daß es in Kyoto den dringend erforderlichen Durchbruch geben wird. Inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Dächern, daß auch Deutschland seine großspurigen Versprechen zur Verminderung nicht einhalten wird. Doch in Bonn hält man unbeirrt an der einer verschwenderischen Energie- und Verkehrspolitik fest.

Industriestaaten, v.a. die USA und Australien, aber auch einige erdölexportierende Länder verstecken sich gerne hinter den unstrittigen Unsicherheiten der Klimaforschung, um internationale Abkommen zu verwässern und zu verzögern. Andere machen hingegen lieber ihre Hausaufgaben. Die Frankfurter Meteorologen Christian Schönwiese und Jörg Rapp haben schon vor einiger Zeit eine statistische Fleißarbeit vorgelegt, die den Klimawandel in Deutschland in den letzten 100 Jahren eindrucksvoll belegt.

Die Daten von Rund 300 deutschen sowie einigen dänischen und polnischen Wetterstationen haben sie eingehenden Qualitätstests unterzogen und so dann den linearen Trend des Niederschlags und der bodennahen Lufttemperatur bestimmt. Ähnliches haben zwar andere Autoren zuvor auch schon gemacht, aber immer nur für einzelne oder einige wenige Stationen. Rapp und Schönwiese haben zum erstenmal einen regional flächendeckenden Ansatz gewählt.

Indem sie die Temperaturdaten auf eine einheitliche Geländehöhe umgerechnet und Trend und andere statistische Eigenschaften der Meßreihen auf ein regelmäßiges Gitter hochgerechnet haben, kam ein regelrechter Atlas der Temperatur- und Niederschlagsänderungen im Zeitraum 1891-1990 bzw. 1961-1990 heraus, der auch die regionalen Unterschiede in den Klimaänderungen sichtbar macht.

Im Trend der Lufttemperatur zeigen sich allerdings nur geringe regionale Differenzen. In weiten Teilen Deutschlands ist in den vergangenen 100 Jahren die Jahresmitteltemperatur um rund 0,8 Grad Celsius gestiegen. Besonders ausgeprägt war die Erwärmung in den Herbstmonaten mit bis zu 1,6 Grad in Thüringen. Generell war zu beobachten, daß die Temperaturen in der kälteren Jahreszeit überdurchschnittlich zugenommen haben.

Der Vergleich mit dem Zeitraum 1961-1990 zeigt, daß sich die Tendenz zum wärmeren Klima in den letzten Jahrzehnten verstärkt hat. Indessen ist das vielschichtig: Hinter der allgemeinen Zunahme der Jahresmitteltemperatur verbirgt sich, daß einige Monate wie April und Juni seit den Sechzigern kälter geworden sind, während andere Monaten - regional durchaus unterschiedlich - wärmer wurden. Mit bis zu 4 Grad Celsius im Dezember ist das Maximum der Zunahme wiederum in Thüringen zu finden.

Auch der Niederschlag hat sich seit 1891 deutlich verändert. Um 50 bis 150 Millimeter pro Jahr bzw. 10 bis 20% des langjährigen Mittelwertes hat er zugenommen. Dabei sind vor allem die Winter feuchter geworden, die Sommerniederschläge haben sich gegenüber dem Ende des 19. Jahrhunderts kaum verändert. Betrachtet man jedoch nur die letzten 30 Jahre, so zeigt sich sogar eine Tendenz des Rückgangs des Sommerregens. Trockenere Sommer stehen also nasseren Wintern gegenüber. Eine Erscheinung, mit der die Landwirtschaft kaum glücklich sein kann.

Besonders markant fällt die winterliche Niederschlagszunahme im Einzugsgebiet von Donau und Oberrhein aus, eine Tatsache, die zwar nicht unbedingt direkt für einzelne Hochwasser verantwortlich sein muß, aber doch das Auftreten von Extremereignissen allgemein wahrscheinlicher macht.

Was sind die Ursachen für die beobachteten Veränderungen? Als sorgfältige Statistiker wissen die beiden Frankfurter Meteorologen, daß ein Trend keine Prognose ersetzt. Ausdrücklich weisen sie darauf hin, daß, solange die physikalischen Gründe für die beobachtenden Änderungen nicht bekannt sind, ein Trend sich nicht einfach fortschreiben läßt. Es können also nicht ohne weiteres, so die beiden Wissenschaftler, Vorhersagen für die zukünftige Entwicklung des regionalen Klimas gemacht werden. Auch lassen sich regionale Erwärmung und Niederschlagszunahme nicht unmittelbar mit der erhöhten Konzentration der Treibhausgase erklären.

Immerhin können die Autoren aber darauf verweisen, daß ihre regionalen Beobachtungen gut zu den Veränderungen in den Mustern der allgemeinen atmosphärischen Zirkulation passen. So haben sich über dem Nordatlantik und damit auch über West- und Mitteleuropa in den letzten Jahrzehnten Tiefdruckereignisse gehäuft, während Hochdruck seltener geworden ist. Dazu passen übrigens auch Studien großer Versicherungsunternehmen, die eine Zunahme der Stürme und Orkane in Nordwesteuropa konstatieren. Gelingt es nun, mit Klimamodellen nachzuweisen, daß diese Verschiebungen in den globalen Luftströmungen durch die Verstärkung des Treibhauseffektes induziert sind, wäre der Beweis erbracht, daß hinter all dem die industriellen Aktivitäten des Menschen stecken. (wop)

Jörg Rapp, Christian Schönwiese: Atlas der Niederschlags- und Temperaturtrends in Deutschland 1891-1990. Zu beziehen für 18 DM über: Institut für Geophysik, Postfach 111932, 60054 Frankfurt am Main