Kommentar:

„Müllmänner“ des Sozialraubs

Polizeibeamte halten sich nach Möglichkeit aus der Politik heraus. Wenn der Einsatzbefehl kommt, springen sie. Das gilt nicht nur für den „Schutz“ des CASTOR. Kritik daran seitens der Uniformträger ist selten zu hören - wenn, dann sehr verhalten. Dennoch ist sie zuweilen vorhanden. Wenn Kiels Kripochef Peter Fritzsche anläßlich der Vorstellung der Kriminalstatistik 1996 (siehe Artikel auf S. 6) konstatiert, die steigende Jugendkriminalität sei „Ausdruck sozialer Mängellagen“ oder „die beste Kriminalitätsprävention sei eine gute Sozialpolitik“, so ist er dem Problem der Kriminalität hart auf den Fersen - indem er Ursachen anspricht. Wenn auch die Gleichung mehr Benachteiligte gleich mehr Kriminalität so einfach nicht aufgeht.

Die Polizei gehört von Amts wegen zum repressiven Apparat des Staates. Letzterer - und das zeigen nicht nur die Bilder knüppelnder und reifenstechender Polizisten in und um Gorleben - benutzt sein Gewaltmonopol mehr und mehr als ultima „ratio“ der Politik. Die strukturelle Gewalt nimmt zu. Und diese Legalisierung von Gewalt spiegelt sich in der Gesellschaft, wo Gewalt ebenso zum probaten Mittel wird. Daß es manchen Polizisten - auch sie sind Teil der Gesellschaft - umso leichter fällt, das ihnen zugewiesene Gewaltmonopol äußerst weit auszulegen, verwundert da nicht. Denn zunehmend gerät die Polizei in ihren Augen zur bloßen „Abfallentsorgung“, die den „Müll“, den der fortgesetzte Sozialraub der Politik freisetzt, zu beseitigen hat.

Die polizeilichen Bemühungen der Prävention von Straftaten bleiben dabei im Hilflosen stecken. Nicht nur, daß sie sich mit den Folgen abgeben muß, deren Ursachen die Unsozialpolitik fortwährend produziert, ohne auf letztere Einfluß nehmen zu können. Die Polizei muß auch noch dem „subjektiven Sicherheitsbedürfnis“ der Bürger auf die Sprünge helfen. So werden weitere Streifenbeamte durch Gaarden patrouillieren, einen Stadtteil, dessen Kriminalität real weit unter dem Kieler Durchschnitt liegt, und ihre Zeit verschwenden.

Eine Ermittlungsgruppe gegen die Eigentumsdelikte und Menschenrechtsverletzungen (z.B. gegen das Menschenrecht auf Wohnraum und Arbeit), die der Staat alltäglich v.a. an den schwächsten seiner BürgerInnen verübt, wird es dagegen nicht geben. Und so muß Peter Fritzsches immer noch eingeschränkte Einsicht in die Ursachen dessen, was er alltäglich bekämpft, in Pressemitteilungen verhallen, solange er den Dienst in dieser Polizei nicht quittiert. Die Polizei bleibt Büttel der Kriminellen in den Ministerien und Parlamenten, das angestrebte Image des „Freundes und Helfers“ weiterhin eine ideologische Farce. (jm)