Es gibt Leute - und zwar nicht zu wenige - die halten Bürgerrechte für eine Gnade, die bei Wohlverhalten gewährt wird. Diese Menschen - nennen wir sie einmal die caritativen Rassisten - werden mit Feridun Zaimoglus neuem Buch ihre Probleme haben. Schon sein Erstlingswerk „Kanak Sprak“ erregte bei der Fraktion mit dem Helfersyndrom irritierten Unwillen. Der dürfte sich mit „Abschaum“ noch steigern, denn es sind nicht gerade Opfer-Geschichten von der Art, wie sie der deutsche Gut-Mensch liebt, die Zaimoglu seinem Publikum zumutet.

Ertan Ongun ist 25 Jahre alt und hat alles durch: Knast, Koks, Raub, Nadel, Dealer-Karriere, Tabletten, schwere Körperverletzung. Nun ist er am Ende, oder auch noch nicht ganz. In 35 runden Stories erzählt Zaimoglu seine Geschichte, oder besser Geschichten aus seiner Geschichte: Zwischen Puff und Knast, Deals, Bandenkriegen und blutiger Abrechnung kann sich der eingeborene Leser je nach Einstellung ein wenig gruseln, seine Vorurteile bestätigen lassen oder sich ekeln; hin und wieder auch sich amüsieren.

Weshalb Ertan diese Karriere einschlug, auf die „schiefe Bahn“ geriet, erfahren wir allerdings nicht. Seine Biografie bleibt im Dunkel. Alles was der Autor über Ertans Kindheit und Jugend mitteilt, ist, daß er den Einstieg in die deutsche Schule nicht richtig geschafft hat und daß es zuhause nie ein gutes Wort gab, er mit seinen Eltern nicht reden konnte.

Der deutsche Leser bleibt also mit der Frage nach dem „Wieso“ alleine zurück, den anderen, für die der Autor nach eigene Angaben vor allem geschrieben hat, stellt sie sich natürlich nicht, die kennen das aus eigener Erfahrung. „Abschaum“ ist folglich etwas für jeden: Sowohl für den Hetzer eines gewissen Monopolblattes, der es sich nicht verkneifen kann, bei rassistischen Anschlägen gleich auf die „Ausländerkriminalität“ hinzuweisen, wie auch für jene, die voll Unbehagen sehen, wie sich mit der sozialen Marginalisierung der Immigranten die Gesellschaft zunehmend zersetzt und somit Gegenwehr erschwert wird. (wop)

Feridun Zaimoglu: „Abschaum“, Rotbuch Verlag, Hamburg 1997, 24,80 DM.