„Unser Umfeld selbst gestalten“

Interview mit den HausbesetzerInnen vom Karlstal 34a

Seit Ostersamstag ist das Haus „Karlstal 34a“ besetzt. Die BesetzerInnen fordern die Einrichtung eines freien und selbstverwalteten Jugendzentrum. LinX interviewte einen der Hausbesetzer aus der „Pressegruppe“.

LinX: Wer seid ihr denn?

Haus: Wir sind die Initiative für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum in Kiel. Diese hat sich aus einigen Leuten des damaligen Fördehauszusammenhangs und anderen Leuten - teilweise aus dem Merhaba - gebildet. Insgesamt ein breites Spektrum, altersmäßig von 16 bis 26 Jahren. Wir haben auch eine relativ feste Struktur, eine Pressegruppe, eine Veranstaltungsgruppe und eine Verhandlungsgruppe.

LinX: Besetzt habt ihr das Haus seit dem Ostersamstag, was wollt ihr damit erreichen?

Haus: Wir wollen ein freies und selbstverwaltetes Jugendzentrum in Kiel. Initiativenzentren in dieser Form gibt es in vielen Städten, in Kiel bisher noch nicht.

LinX: Was habt ihr da konkret vor?

Haus: Wir versuchen schon jetzt, Aktivitäten im Jugendzentrum zu initiieren, was allerdings aufgrund des rechtlichen Schwebestatus noch schwierig ist, z.Z. haben wir eine Duldung bis zum Ende der (letzten - die Red.) Woche. Wir sind aber auch jetzt schon dabei, kulturelle Aktivitäten anzubieten. Jeden Abend gibt es eine Volxküche, wir haben schon Filme vorgeführt und erste Konzerte gemacht. Langfristig wollen wir einen alternativen Treffpunkt für Jugendliche anbieten, fern ab von kommerziellen Angeboten wie der Bergstraße oder des CAP. Dieser Kommunikationsort soll ausgefüllt werden mit einem Café, mit einer Werkstatt, Gruppenräumen, Bandräumen, Konzertveranstaltungen, Filmvorführungen usw. Letztendlich hoffen wir, daß dieser „Freiraum“ zur Entwicklung alternativer Politik in der Stadt Kiel beiträgt.

LinX: Das Haus ist ja eine richtige Villa. Wie seid ihr eigentlich auf das Haus gekommen?

Haus: Wir haben uns natürlich nach einem geeigneten Objekt umgesehen. Auf dieses Haus sind wir sehr spät gekommen, da es einen bewohnten Eindruck gemacht hat. Es hingen Gardinen vor den Fenstern, Pflanzen waren auf den Fensterbänken usw. Das Haus ist 70 Jahre alt, es ist wunderschön und steht unter Denkmalschutz. Die Wohnfläche liegt bei ca. 362 qm. Auch der Zustand des Hauses ist recht gut. Nur im obersten Stockwerk (das Haus hat 3 Etagen) ist es relativ feucht, der leichte Schimmelbefall ist ungefährlich.

LinX: Wie wollt ihr das Haus denn nutzen, auch als Wohngebäude oder nur als Kommunikationszentrum?

Haus: Wir streben eine kombinierte Nutzung an. Eine Wohngemeinschaft soll es auf jeden Fall auch geben. Aber konkrete Planungen gibt es derzeit noch nicht, erst einmal müssen wir aus dem - sagen wir mal - illegalen Status herauskommen.

LinX: Wie sieht es mit der rechtlichen Situation aus, müßt ihr vielleicht nach Ablauf der Woche aus dem Haus raus?

Haus: Die rechtliche Situation ist sehr kompliziert. Das Haus gehört einer privaten Person. Der ehemalige Hausbesitzer - ein Arzt - hat das Haus an eine inzwischen in Konkurs gegangene Ärztefirma verkauft. Seit zwei Jahren steht das Haus leer. Jetzt gehört das Haus der Volksbank in Bad Pyrmont. Seit zwei Jahren versucht die Volksbank ohne Erfolg, das Haus zu verkaufen. Nun stand nach den bisherigen Planungen eine Zwangsversteigerung an. In dieser Situation haben wir uns das Haus angeeignet. Zwei Kieler Rechtsanwälte sind inzwischen als Zwangsverwalter eingesetzt worden, mit denen hatten wir am 8.4. ein erstes Gespräch. Diese Verwalter haben uns bis zum Ende der Woche eine Duldung ausgesprochen, allerdings erwarten sie, daß die Stadt Kiel nächste Woche mit ihnen Kontakt aufnimmt, um in eventuelle Verkaufsverhandlungen zu treten.

LinX: Wie sieht euer Kontakt zur Stadt Kiel aus?

Haus: Am 7.4. hatten wir ein Gespräch mit der Ratsfraktion der Grünen, die sich für uns einsetzt und einen Kauf des Hauses durch die Stadt befürwortet. Desweiteren hatten wir ein Gespräch mit dem Jugendamt. Am Mittwoch (9.4.) sind noch Gespräche mit der SPD geplant, mit dem Fraktionsvorsitzenden Ekkehard Raupach sowie dem jungendpolitischen Sprecher Heinemann. Am Freitag haben wir noch einen Termin mit der Sozialdezernentin, Frau Bommelmann. Wir wollen alle Verantwortlichen der Stadt Kiel an einen runden Tisch bringen, um gemeinsam konkrete Verhandlungen aufzunehmen, um in dem Haus bleiben zu können.

LinX: Bei früheren Hausbesetzungen wurde immer mit dem berühmt-berüchtigten Leiter des Liegenschaftsamtes, Hans Mehrens, verhandelt, nun anscheinend mit der Sozialdezernentin. Versucht die Stadt Kiel, den Konflikt zu pädagogisieren, indem sie ein „jugendpolitisches Problem“ aus dem politischen Konflikt macht?

Haus: Unser erstes Ziel ist es, ein alternatives, selbstverwaltetes Jugendzentrum zu bekommen, einen „Freiraum“ zu schaffen. Zwangsläufig haben wir es deshalb mit den Verantwortlichen für Jugendpolitik zu tun. Wir haben natürlich auch politische Ansprüche, wie ja wohl die politische Aktion einer Hausbesetzung zeigt. Aber unser wichtigster Schritt ist es - wie gesagt - einen Freiraum für Jugendliche zu schaffen, eine kommerzfreie Zone mit kulturellem Angebot. Wir brauchen erst einmal einen rechtlichen Status, ein wenig Luft. Von da aus können wir auch weiter etwas machen.

LinX: Ihr bewegt euch da ja im Moment in einer sehr glücklichen Konstellation. Die Eigentümerin will das Haus verkaufen, vielleicht spekuliert sie jetzt darauf, daß die Stadt das Haus kauft. Die Polizei kann nicht räumen, da es keinen Räumungstitel gibt, und in Kiel sind bald Oberbürgermeisterwahlen.

Haus: Ja, das sehen wir ähnlich. Für diese Woche ist die Duldung ausgesprochen. Wir wollen auf jeden Fall mindestens bis zum Abschluß der Verhandlungen im Haus bleiben. Sonst bewegt sich bei der Stadt nichts, wie die Erfahrungen aus dem Jahr 1995 gezeigt haben. Nach der damaligen Räumung gestalteten sich die Verhandlungen mit der Stadt Kiel als sehr schleppend, wir kamen uns verarscht vor. Deshalb haben wir ja jetzt das Haus besetzt. Problematisch ist, daß die Konkursverwalter eine schnelle Entscheidung seitens der Stadt erwarten, was angesichts der dortigen langwierigen Entscheidungsprozesse kaum gewährleistet werden kann. Aber die Chancen, die nächsten Wochen im Haus bleiben zu können, sind doch recht groß.

LinX: Mit wem habt ihr damals verhandelt?

Haus: Damals waren Hans Mehrens vom Liegenschaftsamt, Frau Bommelmann und Herr Raupach unsere Hauptgesprächspartner.

LinX: Es gab ja auch ein Angebot, in die Fröbelschule zu gehen.

Haus: Ja, es gab 1996 ein Angebot vom Liegenschaftsamt, zwei Räume in der Fröbelschule zu bekommen. Aber erstens sind zwei Räume natürlich viel zu wenig, zum zweiten ist die Umweltbelastung bei der Fröbelschule zu groß. Die Schule wurde ja verlegt, weil dort am Joachimsplatz die vierspurige Hochstraße gebaut wird, um den Joachimsplatz kreuzungsfrei zu machen. Zum dritten liegt unser jetziges Haus viel zentraler, wir sind hier präsent im Stadtteil.

LinX: Wie ist denn die Resonanz bei der hiesigen Bevölkerung im „Problemstadtteil Gaarden“. Als ich hier herein wollte, stand ich irritiert vor der Haustür, bis mir eine vorübergehende ältere Frau den Eingang „zu den jungen Leuten“ zeigte.

Haus: Die Bevölkerung reagiert sehr positiv, wir kommen wahnsinnig gut an! Wir verteilen natürlich auch Flugblätter - z.B. auf dem Vinetaplatz - und sammeln Unterschriften. Dabei stoßen wir auf weitgehend positive Resonanz. Natürlich nicht bei jedem. Es gibt immer welche, die meckern. Die gute Resonanz ist ja hier auch nicht verwunderlich, in einem Viertel, in dem Kids auch abends auf der Straße rumhängen - z.B. auf dem Vinetaplatz. Es gibt einfach kein Angebot für Kinder und Jugendliche. Und da ist es kein Wunder, wenn sich die Menschen sagen: Bevor die Buden verfallen und die Jugendlichen auf der Straße hängen, ist es gut, wenn sie solche Aktionen entwickeln.

LinX: Die Grünen haben euer Anliegen befürwortet. Sie wollen sich dafür einsetzen, daß ihr das Haus bekommt. Wie ist denn die Reaktion der SPD?

Haus: Eine verbindliche Zusage von der SPD gibt es noch nicht. Zu unseren Forderungen ist zu sagen: Wir hoffen natürlich, daß die Stadt Kiel und weitere mögliche TrägerInnen - z.B. der Landesjugendring - für die Kosten zum Erwerb des Hauses aufkommen. Aber wir wollen natürlich auch selbst tätig werden, z.B. bei Baumaßnahmen im Haus. Wir wollen ja nicht in ein perfekt eingerichtetes Jugendzentrum reingesetzt werden, sondern uns unser Umfeld selbst gestalten.

LinX: Habt ihr denn schon einmal etwas von unserem zukünftigen OB Gansel gehört? Der wird ja wohl nach dem 25. Mai eine Person sein, ohne die nichts mehr läuft.

Haus: Norbert Gansel wurde letzte Woche angerufen, ist aber z.Z. im Urlaub. Insofern haben wir von ihm noch nichts gehört. Natürlich versuchen wir, auch mit ihm in Kontakt zu kommen, es wäre schön, wenn er an unserem geplanten „Runden Tisch“ teilnehmen würde. Wenn wir die SPD-Ratsfraktion von unserem Anliegen überzeugen können, dann werden wir wahrscheinlich auch mit Norbert Gansel keine größeren Probleme bekommen. Wir versuchen natürlich auch, Pressearbeit zu machen. Das läuft ganz gut, wir hatten einen großen Artikel im Flensburger Tageblatt, einen in der TAZ, im Kieler Express und einen kleinen in den Kieler Nachrichten. Die KN versucht, uns eher zu mißachten.

LinX: Vielleicht ist es nicht so schlecht, wenn sie sich zurückhalten. Normalerweise schießen sie ja gegen solche Projekte.

Haus: Wir wollen auch in der Innenstadt präsent sein. Heute war auch die Ausstellungseröffnung vom „Verein der Initiativen“ im Rathaus, dort haben wir auch Infomaterial verteilt. Wir sind dort auch mit einer Schautafel präsent.

LinX: Im Verein der Initiativen seid ihr aber nicht?

Haus: Nein. Es gab bei uns Überlegungen, in die Sternschule mit einzuziehen. Aber die dort vorhandenen Räumlichkeiten wären für unser Vorhaben nicht ausreichend.

LinX: Und wie geht es nun weiter?

Haus: Wir hoffen natürlich auf positive Verhandlungen mit der Stadt. Momentan wird überlegt, eine Vereinsstruktur zu schaffen, um einen rechtlich verbindlichen Verhandlungspartner für die Stadt Kiel darzustellen. Dies läßt sich natürlich mit unsererm Anspruch eines selbstverwalteten Jugendzentrum, in dem alle gleichermaßen veantwortlich sind, nur schwer vereinbaren. Gleichwohl gibt es Überlegungen, mit dem AKS (Alternatives Kunstsyndikat) ins Gespräch zu kommen. Das AKS plant derzeit eine Vereinsgründung und könnte dann der Träger für das spätere Jugendzentrum sein.

LinX: Vielen Dank für das Gespräch und viel Glück bei den Verhandlungen!