Sophienhof will Ehmsen-Platz

... und droht mit Investitionsstreik, falls die Stadt sich verweigert

Wer 150 Mio. DM investiert und angibt, „400 mögliche neue Arbeitsplätze“ zu schaffen, kann sich die dazu passende Politik kaufen. Der Sophienhof will all das und noch mehr tun, um den Konsumtempel um 15.000 qm auf das Anderthalbfache der bisherigen Fläche zu erweitern. Weichen soll dafür der Heinrich-Ehmsen-Platz. Aufgeschreckt durch einen Artikel der „Kieler Nachrichten“, vom 3.4., der in der üblichen Meinungsmache des Springer-Blattes mit „Sophienhof: Scheitert der Ausbau?“ überschrieben war, geriet die Stadtverwaltung in hektische Betriebsamkeit. Stadtbaurat Otto Flagge, bekannt als Gegner der Sophienhoferweiterung auf den Ehmsen-Platz, wurde noch im Osterurlaub von OB Karl-Heinz Zimmer (CDU) ans Telefon zitiert und zurückgepfiffen. Der durch die nicht funktionierende Hörnbrücke deutlich angeschlagene Städtebauer mußte einlenken und seine ursprünglichen Pläne für die Neugestaltung des Bahnhofsbereichs in der Schublade verschwinden lassen, so daß die „Kieler Nachrichten“ am nächsten Tag freudig jubeln konnten: „Stadt Kiel reagiert und sagt Ja“.

„Unter Abwägung aller Gesichtspunkte sagt die Landeshauptstadt Kiel grundsätzlich Ja zum Verkauf und zur Überbauung des Heinrich-Ehmsen-Platzes durch den Sophienhof“, so hatte das in der offiziellen Version der Stadt geklungen. Es müsse aber noch „über Einzelheiten gesprochen werden“. Grundsätzlich begrüße die Stadt zwar die Erweiterungspläne „nachhaltig“, weil dadurch die „Rolle Kiels als zentraler und leistungsfähiger Einzelhandelsstandort“ gestärkt werde. Jedoch müsse bei den Planungen berücksichtigt werden, „daß die Lichtverhältnisse der Stadtgalerie im Kulturviertel nicht beeinträchtigt würden“. Zudem könne die Baufront nicht so weit wie geplant in Richtung Bussteige vorgelegt werden, weil der Umsteigebetrieb nicht behindert werden dürfe. Zimmer und Flagge zeigten sich ferner über den „öffentlichen Vorstoß des Center-Managements verwundert“, schließlich werde „schon seit Monaten“ über die Neugestaltung des Ehmsen-Platzes und seines Umfeldes „konstruktiv und zielorientiert“ verhandelt.

Das sahen Center-Manager Jürgen Steinacker und sein Sprachrohr, die „Kieler Nachrichten“, anders. Man werde überhaupt nur investieren, wenn man den Ehmsen-Platz kaufen könne, sonst werde man auch auf den rückwärtigen Ausbau des Sophienhofs hin zur Lerchenstraße und zur Herzog-Friedrich-Straße verzichten. Steinacker ging hart mit Flagge ins Gericht: Es könne doch nicht sein, „daß der Geschmack eines einzelnen darüber entscheidet, was in dieser Stadt passieren darf und was nicht“, diktierte er den KN in den Notizblock. Nach den Plänen des Stadtbaurats sollte der Ehmsen-Platz zusammen mit dem Bahnhofsvorplatz eine Achse vom Ostufer über die neue Hörnbrücke bis zum Bahnhof bilden.

Der Sophienhof aber plant anders: In einer ersten Umbauphase kauft der Sophienhof die Fußgängerbrücke zum Bahnhof und gestaltet sie neu. Dabei steht, so Steinacker, nicht der „wirtschaftliche Nutzen“ im Vordergrund. Seit langem ist dem Center-Management die Brücke ein Dorn im Auge, weil dort Obdachlose gelegentlich Tagesquartier beziehen und Passanten um Almosen bitten. Mit dem Erwerb der Brücke bekommt der Sophienhof auch das Hausrecht auf dem Übergang. „Wir können dann dort unsere Wachmannschaft patrouillieren lassen“, sagte Silke Brombacher, Pressesprecherin des Center-Managements der LinX auf Nachfrage. Man habe derzeit „ein mulmiges Gefühl“, über die Brücke zu gehen, das wäre dann anders.

In einer zweiten Bauphase soll der Ehmsen-Platz bebaut werden, laut Brombacher mit Wohnungen und einer Art überdachtem Markt nach dem Vorbild der Münchener Käfer-Hallen. Im Zuge dieser Bebauung sollen auch die „häßlichen Dächer“ über den Bussteigen verschwinden. Zusätzlich wird die Lerchenstraße bis zur Hopfenstraße überdacht. Darunter sollen die Kunden mit einem „Foodcourt“ beglückt werden. Auf Frage der LinX, ob es solche Angebote im Sophienhof nicht schon zur Genüge gebe, verneinte Silke Brombacher: „Die hat man doch nach zwei-, dreimal Essen durch.“ In einer letzten Phase ab etwa 1999/2000 wird der Sophienhof, wenn sich die Stadt weiter so kooperativ zeigt, dann nochmals in Richtung Herzog-Friedrich-Straße wuchern. Dazu soll das Grundstück der Firma Eisenhenkel erworben werden. Vor dem Paukenschlag vom 3./4. April hatte das Center-Management immer wieder auf eine Entscheidung der Stadt bezüglich der Sophienhoferweiterung gedrängt, weil es für das Grundstück noch einen anderen Interessenten gebe (LinX berichtete).

Im Wege sind den Planungen der Sophienhöfer nach dem „grundsätzlichen Ja“ der Stadt nur noch das Kulturviertel und die Plastik auf dem Ehmsen-Platz. Letztere soll in die Nähe des Fährterminals abgeschoben werden. Ersteres erhält auf Kosten des Sophienhofes, wie Steinacker großmütig anbot, eine Rolltreppenanbindung direkt aus dem Konsumtempel heraus. Silke Brombacher erhofft sich davon ein „befruchtendes Nebeneinander“ von Kultur und Einkaufsmöglichkeiten.

Die Reaktionen der Ratsparteien auf die Pläne des Sophienhof-Managements waren durchweg positiv, die Stellungnahmen der OB-Kandidaten (außer bei den Grünen) ebenso. Lediglich die grüne Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff brachte leise Bedenken vor. Mit Verweis auf das vor einigen Wochen vorgestellte Einzelhandelsgutachten der Stadt sagte Dickhoff, daß eine Aufwertung des Bahnhofs- und Sophienhof-Bereiches mit einer gleichzeitigen Aufwertung des Altstadtbereiches einhergehen müsse, um den Einzelhandel in der Altstadt nicht weiter zu schwächen. Dies sei ein wichtiges Aufgabenfeld für das geplante City-Management, das „dringend installiert werden und seine Arbeit aufnehmen muß“. Allerdings fand Dickhoff „die geplante Eingliederung des hinteren Bereichs der Lerchenstraße und von Teilen des Eisenhenkelbereichs in den Sophienhof nachvollziehbar“. Die Erweiterung „mache Sinn, um die City in ihrer Gesamtheit gegenüber Raisdorf zu stärken“, wenn ein „fairer Ausgleich zwischen dem Altstadt-Einzelhandel und den Sophienhof-Interessen“ gelinge. Wieder einmal ein schönes Beispiel für grüne Standortparolen mit halbherzigen Einlenkungen.

Auch Center-Pressesprecherin Brombacher sieht die Gefahr eines weiteren Attraktivitätsgefälles vom Sophienhof zum Alten Markt. Jedoch sei das nicht Schuld des Sophienhof-Managements, sondern des nicht vorhandenen einheitlichen Managements der Holstenstraße. Dort gebe es keine gemeinsame Werbestrategie der angesiedelten Geschäfte, und auch die neuen Ladenöffnungszeiten würden nicht einheitlich durchgehalten, während sich im Sophienhof der Kunde darauf verlassen könne, daß jedes Geschäft gleich lange geöffnet habe. Der LinX liegen Informationen (von Informanten, die nicht genannt werden möchten) vor, wonach das Center-Management die neuen Öffnungszeiten bei seinen Ladenmietern rigide, z.T. mit der Drohung, die Mietverträge zu kündigen, durchgesetzt hatte.

Eine endgültige Entscheidung über den Verkauf des Ehmsen-Platzes an den Sophienhof-Betreiber bleibt der Ratsversammlung vorbehalten. Sie wird sich aller Voraussicht nach schon in ihrer April-Sitzung mit dem Thema beschäftigen. Die Abstimmung wird sehr wahrscheinlich eine reine Pflichtübung sein. Auch hier wird gelten: Der Investor ruft, die Politik springt. (jm)