Verfassungsschutzbericht 1996

Wie jedes Jahr legte das Innenministerium Anfang April den Bericht des Verfassungsschutzes Schleswig-Holstein vor. Nach einer kurzen Einführung, aus der hervorgeht, daß das Landesamt über 70 Stellen und 1,1 Mio. DM Sachmittel verfügt, gliedert sich der Bericht selbst in „Rechtsextremismus“ (37 Seiten), „Linksextremismus“ (24 Seiten) und „Extremistische Bestrebungen von Ausländern“ (8 Seiten). Die Hauptgefahr sieht das Innenministerium im Rechtsextremismus und bei linken türkischen und kurdischen Organisationen.

Rechtsextreme Organisationen hätten 1.500 Mitglieder und erreichten Anhänger vor allem über Musikveranstaltungen. Skinhead-Konzerte böten Jugendlichen einen Einstieg in die Szene und dienten als Kontaktbörse. Einigungsbestrebungen der Organisationen und Parteien der Rechten seien nicht vorangekommen, dafür seien die Rivalitäten zu groß.

Im linksextremen Bereich sieht der Innenminister ungefähr 1.000 Mitglieder, davon 350 Autonome. Während die bewaffnete Linke nur noch durch die Betreuung von Gefangenen auffällt, beobachtet der Verfassungsschutz Aktivitäten im Bereich des Antifaschismus und der Anti-Atomkraft. Längere Passagen sind der „Roten Hilfe“, der Kiel-Lübecker Organisation „Levanti“ und der „Beeinflussung des Lübecker Brandprozesses durch linksextremistische Gruppierungen“ gewidmet. Der Zusammenschluß der beiden Avanti-Gruppen in Kiel und Lübeck mit der Bremer LEGO-Gruppe zur „Levanti“ wird als „interessante Entwicklung“ vermerkt. Levanti „tritt für eine sozial gerechte, von Sexismus und Rassismus freie Gesellschaft“ ein und wird zu den „linksextremistischen militanten Autonomen“ gezählt, informiert uns der Verfassungsschutz. Beim Lübecker Brandprozeß würfen „Linksextremisten“ der Staatsanwaltschaft „rassistische Ermittlungen“ vor, in diesem Zusammenhang sei auch der ermittelnde Staatsanwalt „steckbriefartig“ auf Plakaten des Bündnisses gegen Rassismus abgebildet. Im weiteren beschäftigt sich der Verfassungsschutz mit der „Internationalen Unabhängigen Kommission“ (IUK), die auf eine Initiative „führender Funktionäre des revolutionär-marxistischen Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD“ zurückgehe. Infoläden kennt der Verfassungsschutz in Kiel (Beau Rivage), Flensburg (Hafermarkt 6) und Neumünster (Informationsdienst Schleswig-Holstein), während in Rendsburg (THEPRAX) „Auflösungserscheinungen“ ausgemacht wurden.

Bei den Ausländern sind dem Verfassungsschutz nur Aktivitäten der PKK (eine friedliche Demonstration in Neumünster) und der türkischen DHKP-C (zwei Brandanschläge in Kiel, Besetzung des Balkons des Landeshauses) aufgefallen. Rechte Gruppen, z.B. Graue Wölfe, kommen nur in der zahlenmäßigen Auflistung vor, was auch daran liegen kann, das alle Ausländer-Aktivitäten der Verfassungsschutz-Abteilung für Linksextremismus zugeordnet sind.

Der Verfassungsschutzbericht wird zur Zeit gedruckt, er ist ab Anfang Mai im Innenmninisterium kostenlos zu erhalten. (Reinhard Pohl)