Anonyme Denunzianten

Kurz vor Schluß der Ausstellung des „Hauses der Initiativen“ im Rathaus (LinX berichtete) ging bei der Schirm„herrin“ der Ausstellung, der SPD-Ratsfraktion, eine Beschwerde ein. Am 17.4. hatten zwei „junge Leute, die nicht aussahen wie Neonazis, sondern ganz normal“, so Fraktionsgeschäftsführer Paust auf Nachfrage der LinX, bemängelt, daß in der Ausstellung für linksradikale verfassungsfeindliche Organisationen geworben werde. Vom Presseamt wurden sie an die SPD-Fraktion verwiesen, wo man sie bat, ihre Vorwürfe zu präzisieren, allerdings vergaß, sie nach ihrem Namen zu fragen. Am nächsten Tag legten die Ausstellungskritiker eine detaillierte Liste von angeblich beworbenen Zeitschriften und Organisationen vor, die im Verfassungsschutzbericht erwähnt seien (mit präzisen „Quellenangaben“ aus den diversen Verfassungsschutzberichten von Land und Bund), blieben jedoch weiter anonym.

Die Kritik richtete sich vor allem gegen eine Stelltafel, auf der der Infoladen „Beau Rivage“ die im Laden erhältlichen linken Zeitungen z.T. mit Titelblatt ausgestellt hatte. Diese werden in der Denunziationsliste minutiös aufgeführt, von der Zeitung der Roten Hilfe u.a. über die LinX und die Levanti-Zeitung bis hin zum Gegenwind, der „sogar stapelweise“ ausliege. Die Zeitungen seien „mit Ausnahme der Verfassungsschutzberichte“ im Zapata-Buchladen erhältlich. Während bei der LinX die frühere Herausgeberliste der „Lokalberichte Kiel“ (aus denen die LinX hervorgegangen ist) inklusive deren Erwähnung in diversen Verfassungsschutzberichten angegeben ist, haben die Denunzianten beim Gegenwind schon nichts Vergleichbares mehr zu bieten. Und abschließend wird im Reigen der vermeintlich verfassungsfeindlichen Organisationen sogar die Junge Presse S.-H. genannt.

Die SPD-Ratsfraktion sah zunächst keinen Handlungsbedarf, zumal die Ausstellung ohnehin am 18.4. abgebaut wurde. Lediglich bezüglich der Roten Hilfe, die auch im Bundes-Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, einigte man sich im Einvernehmen mit Matthias Kran vom Initiativen-Haus auf eine Veränderung der Stelltafel. Das Titelblatt der Rote Hilfe-Zeitung wurde überklebt mit einem Blatt, auf dem zu lesen stand, daß sich dahinter die Rote Hilfe-Zeitung befinde, nebst dem Vermerk, daß am Tag der Beschwerde auch die Unterschriftenliste von UnterstützerInnen des Initiativen-Hauses verschwunden war. Ob es hier einen Zusammenhang gibt, bleibt allerdings Spekulation.

Die Denunzianten bleiben weiter im Dunkeln. Matthias Kran hält es für möglich, daß sie aus dem RCDS-Umfeld kommen oder aus dem Anti-Antifa-Spektrum. Es sei doch verwunderlich, wie präzise die Quellenangaben aus den Verfassungsschutzberichten sind, so etwas könne man nicht mal eben zusammentragen. Es sehe eher danach aus, als habe da jemand eine entsprechende Datenbank.

Die SPD-Ratsfraktion will der Sache nicht weiter nachgehen. Man sei überdies froh, so Paust, daß sich die Beschwerdeführer nicht an die örtliche Presse gewandt hatten, die möglicherweise einen Skandal daraus gemacht hätte. Auch will die SPD das Initiativen-Haus weiter fördern und unterstützen. Daran ändere sich durch die vorgebrachten Vorwürfe nichts, sagte Paust der LinX. (jm)