Glosse:

Wahlkampf? - Waschkampf!

Der Wahlkampf um den Posten des Oberbürgermeisters hat begonnen, unschwer erkennbar an den ersten Plakaten. Während der nickelbebrillte Kieler Jung‘ und Favorit vor HDW-Kränen siegesverschmitzt in die Sonne blinzelt, weiß die liberale „Klementine“ wie schon zu Landtagswahlkampfzeiten („Nimm mich!“) zu provozieren: Wo sie nicht „Waschecht!“ („statt Waschlappen“) vom Plakat blauäugelt, ist sie schlicht „Sauber!“

Doch der PR-Gag hat so seine Tücken, sind doch schon im Volksmund, mag er auch vor feindosierten Megaperls schäumen, „Saubermänner“ eher solche, die gar nicht so „sauber“ sind. Und die berühmte „weiße Weste“ wird meist gerade von jenen beschworen, die gerade ihre Hände in Unschuld waschen. Derlei Hintergedanken muß man der Kandidatin nicht unterstellen. Sie wird eher ans Großreinemachen im Rathaus denken oder an neue Besen, die bekanntlich gut kehren.

Ob die Wahlkampfmanager der porentief reinen Politikerin vor allem die reinliche Hausfrau im Blick haben, die mit ihrem Kreuzchen den von der Opposition immer wieder beraunten SPD-Filz aus den Rathausteppichen wegputzen soll? Jedenfalls rühren sie kräftig die Waschmaschinentrommel für ihre Klientin. Die weise Riesin selbst treibt ihre corporate identity als Reinemachfrau und Pflegerin des öffentlichen Raumes aber noch weiter, wie man hört. Im Wahlkampf will sie Seifestücke und Gutscheine für Autowäschen verteilen. Bei letzteren mag ich nur müde lächeln, denn, um ebenfalls einen PR-Spruch zu zitieren: „Isch habe gar kein Auto.“ Bei ersteren aber drängt sich mir eine ganz andere Assoziation auf, die der freigiebigen Demokratin vermutlich peinlich wäre.

Sollte sie als OB-Kandidatin einen großen Sohn der Fördestadt wirklich nicht kennen - Ernst Busch, den linken Barden, dem Kiels Bühnen einst Sprungbrett in die weite Welt der Weimarer Republik waren? Der dichtete 1931 ein Lied auf einen Wahlkampfgag der Sozialdemokraten, die Seife mit dem Aufdruck „SPD“ verteilt hatten. Hier ein Ausschnitt aus Buschs bissigem Liedkommentar, dessen Übertragung auf das gegenwärtige Wahlkampfgewäsch jeder und jedem selbst überlassen bleiben mag: „Wir haben unsre Brüder mit Wahlkampfseife bedacht. Das machen wir nächstes Mal wieder, es hat sich bezahlt gemacht. Wir schlagen Schaum, wir seifen ein! Wir waschen unsre Hände wieder rein.“ (jm)